Wenn Bienen schwärmen

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Gestern bekam ich als Überraschung per Post ein grosses Paket mit Pflanzen.

Der Wildbienen-Ziegel interessiert mich ganz besonders, habe ich doch schon ein wunderschönes Bienenhotel, das meine Tochter mit Mann und Kindern gezimmert, bemalt und bestückt hat.

Trotz Regenwetter mache ich mich daran, das Bienenfutter in der Erde zu versenken.

Ehrlich – alles sieht aus wie Unkraut. Aber die Bienen wissen bestimmt selbst, was sie essen mögen.

Sicherheitshalber säe ich kreisförmig darum Kosmeen, Ringelblumen, Sonnenblumen und Kapuzinerkresse.

Mein Garten nicht soll nur für Wildbienen sein, sondern für alle Bienen. Bin ja keine Rassistin!

Wenn sie aber nur nicht gleich als ganzer Schwarm einfliegen, wie vorletzten Mai!

Ich erinnere mich:

Die Holzwand der alten Scheune gegenüber meinem Haus ist plötzlich belebt, das Gesumme der hunderten Bienen ist nicht zu überhören. Sie bilden eine dunkle Fläche, die an einer Stelle in der Holzwand langsam zu verschwinden scheint, als würde sie von einem riesigen Tier eingesaugt.

Der Nachbar schaut sich an, was sich da tut und wartet mal ab. Erst nach einer Woche ruft er einen Hobby-Imker aus dem Nachbardorf an. In dieser Zeit haben die rund 3000 Bienen bereits Waben gebaut und die Königin hat Eier abgelegt.

Guido de Pretto ist Malermeister und stolzer Besitzer einiger Bienenvölker. Für ihn ist es eine Ehrensache, sich schwärmender Bienenvölker anzunehmen.
Am einfachsten ist es, ein Volk einzufangen, das in einer Traube an einem Baum hängt. Schwieriger wird es, wenn sich Bienen in Briefkästen oder hinter Fassaden ein neues Zuhause gesucht haben. Dass Bienen schwärmen, ist normal, so vermehren sich die Völker.

Gemeinsam mit einem Kollegen erscheint er vor Ort. Zuerst steckt er ein Schild “Vorsicht Bienen” in den Boden und breitet dann seine Werkzeuge griffbereit aus.

Die beiden Männer legen eine Leiter an und entscheiden, dass einige Bretter entfernt werden müssen. Ihr Ziel ist es, die Königin in die mitgebrachte Schwarmkiste zu bringen. Ist sie erst mal drin, werden alle anderen Bienen folgen.

Mutig greift Guido de Pretto in das Isoliermaterial. “Es ist ein wirklich grosses Volk”, meint er strahlend.

Er informiert: “Ein Bienenvolk schwärmt nach der ersten Überwinterung alle ein bis zwei Jahre. Ob und wann es schwärmt, hängt von verschiedenen Faktoren wie Wetter und Volksgrösse ab. Ob es überlebt, oft von aufmerksamen Menschen.”

Der Imker zeigt uns Fetzen des gelben Isoliermateriales. Die Bienen schwirren aufgeregt umher. Der Imker lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und erzählt:
“In den Monaten Mai und Juni ist die Schwarmzeit. Kräftige Bienenvölker nutzen den Überfluss an Nektar und Pollen, um sich zu teilen. Etwa die Hälfte der Bienen zieht mit der alten Königin aus und setzt sich in der Nachbarschaft als Schwarmtraube in einen Baum – oder aber findet durch ein Astloch den Zugang hinter eine Fassade. Der Rest der Bienen bleibt in der Bienenkiste und zieht eine neue Königin heran.

Bienen sind grundsätzlich friedlich. Wenn sie dem Imker aber beim Bergen der Waben auf den Kopf und in den Halsausschnitt fallen, kann es ungemütlich werden. Guido de Pretto ist gewohnt, gestochen zu werden – trotzdem schützen sich die beiden Männer mit langärmligen Pullovern, Handschuhen und dem Hut mit schützendem Netz vor dem Gesicht.

Plötzlich summt es in meinen Haaren. Ich panike drauf los, bange um mein naheliegendes Hirn – aber Guido de Pretto lacht mich aus und der Nachbar wühlt in meinen Haaren. Es dauert ewig, bis die Biene und ich erlöst sind.

Es müssen einige Latten entfernt werden.

Im weichen Isoliermaterial scheinen sich die Bienen wohlgefühlt zu haben.
Jetzt nicht mehr!

Später steigt de Pretto auf die Leiter und entnimmt Waben, welche die Bienen bereits gebaut haben. Auf der Suche nach der Königin arbeitet sich der Imker immer weiter vor in das Isoliermaterial. Die Waben legt er sorgfältig in die mitgebrachte Schwarmkiste. Er hat einige davon, denn er wird immer wieder von der Feuerwehr aufgeboten, bei der man sich unter der Nummer 118 melden soll, wenn man einen Bienenschwarm entdeckt.

Der Zimmermann entfernt Brett um Brett, bis der Kasten in der Lücke Platz finden kann.

Guido de Pretto schiebt den Bienenkasten zwischen die Bretter und befestigt ihn.

Die Bienen finden den Eingang.

Einzelne Waben sind bereits gefüllt.

Guido de Pretto erzählt den Schaulustigen: „In der Schweiz gibt es nur noch wenige professionelle Imker – es braucht rund 500 Völker, um davon leben zu können. Wanderimker bringen ihre Völker in Regionen, wo sie Nahrung finden. Standortimker haben durchschnittlich etwa 14 Völker und bekommen davon rund 20 Kilogramm Honig.“
Auch von der Varroa-Milbe, die wesentlich dazu beiträgt, dass viele Völker schnell auslöschen, berichtet de Pretto. Deshalb sei es gut, dass sich immer mehr Leute begeistern und zu Hobby-Imkern ausbilden lassen. „Interessierte melden sich am besten beim Regionalverband“, erklärt er.

Am Boden versammeln sich plötzlich viele Bienen. Die Königin scheint beim Montieren des Kastens verletzt worden zu sein. Guido de Pretto gibt sie auch in den Bienenkasten – hoffentlich überlebt sie.

Guido de Pretto erzählt von der erstaunlichen Kommunikationsfähigkeit der Bienen. Speziell “ausgebildete” Suchbienen machen sich auf Futtersuche und kehren dann heim in den Bienenstock. Durch einen Tanz auf den Waben teilen sie mit, wo die Futterquelle liegt. Die anderen Bienen machen die Bewegungen teilweise mit und erschnüffeln das mitgebrachte Futter. Liegt die Futterquelle mehr als 100 Meter vom Bienenstock entfernt, vollführt die Suchbiene einen Schwänzeltanz in Form einer Acht, wobei sie im Mittelteil heftige Schwänzelbewegungen vollführt. Je weiter die Futterquelle entfernt ist, desto langsamer sind die Bewegungen.

Die Suchbiene kann die Entfernung und die Richtung der Futterquelle angeben. Honigbienen verständigen sich nicht nur mit den Tänzen, sondern auch mit Düften, Berührungen und wahrscheinlich auch mit Flügelbewegungen.

Ein kleines Mädchen fragt besorgt: „Was geschieht mit Bienen, die zu spät heim kommen, wenn der Schwarmkasten weg ist?“ De Pretto tröstet sie und erzählt, dass die Bienen dann Pollen sammle und mit der „gelben Hosen“ bei einem anderen Volk um Einlass betteln würde. Mit einem solchen „Gastgeschenk“ würde sie meistens aufgenommen.
Die Kleine staunt nicht schlecht, als ihr der Imker erzählt, dass Bienen keine Farben kennen – hatte man sie doch gelehrt, dass man die Bienenhäuschen an den farbigen „Türen“ erkennen würde.

Nach einiger Zeit löst sich die Runde auf, während viele Bienen weiter in die Schwarmkiste fliegen. Das Volk wurde nicht nur gerettet, Guido de Pretto hatte die Gelegenheit auch genutzt, seine Freude und sein Wissen anderen weiter zu vermitteln. Nach einer Woche wird er die Kiste abholen – und die Scheunenwand wieder schliessen.

Jeder kann was für Bienen tun, indem er entsprechende Pflanzen im Garten setzt: Weiden und Hasel für die Frühlingsnahrung und Efeu, wo Bienen bis spät im Herbst Nahrung finden. Und im Sommer Blumen.

Das habe ich jetzt mit meinem Bienenfutterziegel gemacht!

Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet,
hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.
Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr,
keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr. 

Albert Einstein

 

 

Informationen Wildbienen-Ziegel: JardinSuisse_Medienmitteilung_04_2017_Sellana (1)

Informationen und Online-Imkerkurs

Film über Bienen

Musik
Die Biene, Franz Schubert
Hummelflug, Rimski Korsakow

Biene Maja

Buchtipps

Mein Garten - ein Bienenparadies

Mein Garten – ein Bienenparadies,  Bruno P. Kremer, Haupt, 2014, 272 S., ISBN: 987-3-258-07844-1, CHF 29.90

Die Biene, Wilson-Rich, Noah (Hrsg.), Haupt, 2015, 224 S., ISBN: 978-3-258-07869-4 CHF 35.90

 

 

 

Die Biene, die sprechen konnte, Al MacCuish, Rebecca Gibbon, Orell Füssli, 2015, 32 S.,
ISBN 978-3-280-03478-1, ab 6 Jahren, CHF 24.90

 

 

 

 

 

 

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  1. Mary

    Informativer, wundebarer und süsser Beitrag! Bravo!

  2. Ritanna

    Hei, so guter Anschauungsunterricht ist das mit den Bienen. Alles stimmt haargenau. Ich habe das mit dem Tänzeln und allen ausgetüftelten Gepflogenheiten der Bienen und Wildbienen mit dem Enkel als Schulprojekt kennen gelernt.
    Habt Ihr gewusst, bereits existiert ein Betrieb in der Schweiz, der den Obstbauern gefüllte Wildbienen-Hotel zur Bestäubung der Obstpantagen sendet. Im Herbst, nach getaner Arbeit, kommen die Hotels zurück, werden geputzt und neu ausgerüstet.
    Jedoch für Tomaten Gärtnereien sind Hummeln nötig.
    Danke für diese Natur-Reportage.

  3. V . Blaser

    Ein sehr lehrreicher Blog. Ich werde ihn meiner Enkelin zeigen.
    Gibt einem schon zudenken,was passiert wenns keine Bienen mehr gibt.

  4. Martina Amato

    Liebe Regula

    Wunderschöne Bilder. Bienen: Ein spannendes Thema. Wir gehen demnächst mit den Mädels zu unserem Nachbarn, der Imker ist.

    Mit Seerosen kennst du dich ja auch aus gell? Kann ich die auch in einem “Züber” halten statt Teich? Nicht alle haben einen solch tollen Schwimmteich wie du 🙂

    Herzlich
    Martina

  5. Guido de Pretto

    WOW… wieder ein super Bericht!
    Vielen dank für das “der breiten Öffentlichkeit” aufzeigen und erklären

    Liebe Grüsse
    … uuund:
    gerne immer wieder 🙂

    Guido de Pretto

    PS
    instagram: deprettoimker

  6. Lilo Michel

    Liebe Regula
    das ist ein wunderschöner Artikel. Etwas zu Lernen in so schöner Form macht Freude. Ich werde diese Geschichte sicher meinen Enkeln erzählen.
    Herzlichst Lilo

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