Terrinca – ein Bergdorf in Italien

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Ferien in Italien – da träumt man von Sonnenuntergängen am Meer, von Apérol Spritz und Pasta.

Mit einem Besuch bei Annas Bruder Giuseppe und seiner Frau Rosanna habe ich die herzliche Gastfreundschaft der Menschen in den Bergdörfern kennengelernt.

Anna (rechts) kam zur Zeit, als die italienischen Gastarbeiter in die Schweiz gerufen wurden, als Kind in unser Land. Was sie lange Zeit nicht wusste: Sie hat einen Halbbruder (Giuseppe) in Italien.


Anna verbrachte ihre ersten Lebensjahre und danach oft Ferien in Forte dei Marmi, einem Ort am Meer.

Die Liegestühle stehen stramm in Reihe, man räkelt sich in der Sonne, trinkt Bier und isst Chips. Nicht wirklich mein Traum von Ferien. Aber schön anzuschauen.

Und abends, wenn fast niemand mehr am Meer ist, ist es romantisch.

Wir machten uns also auf in die Berge. Forte dei Marmi, der Name “Festung des Marmors” sagt es: Von hier wurde Marmor verschifft. Hinter dem Ort steigt die Landschaft steil an.

Die Marmorsteinbrüche um Carrara befinden sich in den Apuanischen Alpen. Die meisten Steinbrüche liegen auf etwa 1000 Meter Höhe.

Terrinca ist ein Dorf in der Region Stazzema, Provinz Lucca, Toskana und hat 331 Einwohner. Es liegt an den Hängen des Monte Corchia, westlich der Pania della Croce, auf einer Höhe von 517 Meter über dem Meeresspiegel und fünf Kilometer vom Hauptort Stazzema entfernt.

Auf dem Weg hielten wir in einem kleinen Dorf, wo der Wochenmarkt stattfand.

Zeit für einen Kaffee – oder was anderes. Ich liebe diese Bars.

Farbige Klamotten, bunte Blumen und Pflanzen und Unerlässliches für den praktischen Haushalt – wir sahen uns alles an.
Am Rand des Marktplatzes steht ein Monument – der Mann scheint seinen Marmorstein auf die Marktbesucher schleudern zu wollen. Die Arbeit in den Steinbrüchen muss hart und gefährlich gewesen sein.

Sanna gefiel dieses Denkmal besser.

Das Dorf klebt am Hang, was bedeutet, dass man steil rauf oder runter muss.

Vor dem Haus von Rosanna und Giuseppe stach mir als erstes der Piaggio ins Auge. Schon immer wollte ich mal mit einer solchen 3-Rad-Kutsche fahren!

Nach einem Willkommensdrink betaunten wir die Aussicht. Das Wetter hatte sich noch nicht entschieden, wie es werden sollte.

Dann folgten eine Haus- und Gartenführung. Rosanna und Giuseppe haben grüne Daumen.

Und Humor. Beide sind gläubige Christen und tun eine Menge Gutes für die Kirche und für ihr Dorf. Auf typische italienische Art, mit einem Augenzwinkern, wie Don Camillo.

So führte uns ein Spaziergang zur Kirche der Heiligen Clemente und Colombano.

Man kann wählen, entweder zur Kirche oder in eine Sackgasse.

Irgendwie scheint hier die Zeit stillzustehen. Wie immer in unseren Nachbarländern berühren mich die Zeugen aus den beiden letzten Weltkriegen. Monumenti ai caduti, Kriegsdenkmäler.

Ursprünglich wurde die Kirche im 9. Jahrhundert von den kolumbanischen Mönchen von Bobbio erbaut. Im Jahr 1599 wurde sie auf drei Schiffe ergänzt und 1897 erneut renoviert und geweiht.

In der Kirche gibt es eine Menge zu entdecken.

Man spürt, dass die Kirche “belebt” ist. Anders als die meisten Kirchen bei uns.

Übermalte farbige Bilder schimmern aus der Vergangenheit ins Heute.

Zu bewundern sind die sechs monolithischen Säulen aus Versilia- Marmor.

Auf der Chorempore befindet sich die Orgel, eine Agati-Tronci aus dem Jahr 1896.

Es gibt Dinge, deren Geschichte ich gern wüsste.

Wie beispielsweise die vom kleinen Pierino.

Was gebeichtet wird, das soll geheim bleiben.

Mit jeder Kerze, die hier angezündet wurde, war Hoffnung verbunden.

Und manche Dinge verstehe ich einfach nicht.

Allgegenwärtig ist der Marmor. Und die Darstellung von geistlichen Würdeträgern.

Die Kirche braucht Unterhalt – eine Herausforderung für die etwas über 300 Einwohnern von Terrrinca. Giuseppe engagiert sich und ist stolz auf seine Kirche. Er ist in Terrinca aufgewachsen und hat hier sein Leben verbracht.

Es gibt liebliche Elemente.

Aber die beiden ernsten Mönche in der Kirche erinnern mich an ein Bild.

Foto: https://terrinca.com/ricostruzione-storica-degli-avvenimenti-accaduti-il-17-ottobre-1944-a-terrinca/

Hier kniet der Pfarrer von Terrinca in einer Gruppe von Überlebenden eines Überfalls von deutschen Soldaten am 17. Oktober 1944. In den Bergen versteckten sich Partisanen. Die Deutschen schlossen die Dörfern Terrinca und Levigliani rindförmig ein. Sie setzten auch Hunde ein. Sie fanden nur wenige Männer in Levigliani, weil sich die Nachricht vom Überfall im Dorf verbreitet hatte.

In Terrinca wurden die Menschen zusammengetrieben. Unvorstellbar die Angst, denn bereits im August hatten die Deutschen im nahen Sant’Anna di Stazzema in etwas mehr als drei Stunden 560 Menschen ermordet, darunter viele Kinder. Die Priester hatten sich für die Dorfbevölkerung mutig eingesetzt. In Terrinca wurden insgesamt 24 Männer verhaftet und verschleppt. Noch heute erinnert man sich an dieses Ereignis in Terrinca.

Wir schlenderten wieder zurück ins Haus, wo Rosanna ein herrliches Mittagessen servierte.

Primo piatto: Pasta con Sugo.

Secondo piatto: Involtini und weitere Hausspezialitäten. Rosanna ist eine begnadete Köchin.

Typisch italienisches Tischgespräch: Mit Telefoninio und lebhafter Gestik.

Und dann kam für mich der Höhepunkt: Eine Fahrt mit dem Piaggio.

Ich durfte mit Giuseppe in die Fahrerkabine. Anna, Sanna und Rosanna setzten sich auf die Ladefläche – und los ging’s.

Rauf und runter – der Wetterlage schenkten wir keine Beachtung.

Und dann: Wolkenbruch. Die Ladefläche verwandelte sich im Nu in ein Schwimmbecken.

 

Lachend suchten wir Schutz in einem Durchgang.

Sanna hatte eine nasse Nase. “Was tut Ihr hier?”

 

Giuseppe brachte den Piaggio durch die engen, verwinkelten Gassen zurück, und Rosanna brachte uns Schirme und warme Decken – sie ist eine super Gastgeberin.

Sanna wurde liebevoll trockengerubbelt.

Und dann nahmen wir Abschied, fuhren wieder hinunter, in eine andere Welt. Die Schatten wurden lang und bescherten Sanna Spinnenbeine.

 

Ein wunderschöner Tag ging zu Ende. Ein Tag, den ich nicht vergessen werde. Ein erlebnisreicher Tag mit wunderbarer italienischer Gastfreundschaft.

Ein heftiger Regen ist bald vorüber.

Aus Italien

Dank
Ich danke Rosanna und Giuseppe für den wunderschönen Tag und die herzliche Gastfreundschaft. Anna danke ich, dass sie mir ihre Heimat gezeigt hat – und für das schöne gemeinsame Lachen.

Informationen
Forte dei Marmi
Historische Rekonstruktion der Ereignisse vom 17. Oktober 1944 in Terrinca – Terrinca

Rezept von Rosanna

Musik
Zu diesem Beitrag wähle ich Musik von Gaetano Donizetti, er komponierte über 60 Opern, wunderbare Kirchen- und Instrumentalmusik:
Donizetti Lucia di Lammermoor: Sextet Sutherland, Pavarotti
Sonate für zwei Klarinetten
Gaetano Donizetti: Quintet for guitar & strings, in C major
Camille Thomas – Donizetti: L’elisir d’amore: Una furtiva lagrima
Nadine Sierra – Scena della pazzia (mit Glasharfe) – Lucia di Lammermoor
Eine Sunde Instrumentalmusik von Gaetano Donizetti

Musik zum Träumen von Italien

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Leben wie Gott in Frankreich

  1. Marian Zellweger

    Dein Blog macht Lust auf Italien – ich freue mich! <3

  2. Regula

    Liebe Regula, vielen Dank für den kleinen Ausflug nach Italien! Deinen Blog zu lesen ist jeweils fast ein bisschen wie selber auch auf Reisen zu sein. Wunderbar!
    Herzliche Grüsse
    Regula

  3. Hans-Peter

    Liebe Regula
    Du schreibst sehr eindrücklich, was auch wir im März erfahren durften. Eine Piaggio Fahrt habe ich jedoch leider noch machen dürfen – aber was nicht war, kann ja noch werden
    Hans-Peter

  4. Rita

    Die Tosana selber schint auch sehr vielseitig zu sein. Obwohl ich auch einen Teil davon erlebt habe, diese Orte kenne ich noch nicht.
    Geniesse deine erneute Toscana-Zeit!

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