Insel Föhr

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Minustemperaturen, kalte Windböen… Da gibt es nur eines: Von Inseln mit Sandstränden träumen, beispielsweise von der Friesischen Karibik.

Und vom Übernachten in einem Strandkorb.

Die Insel Föhr ist traditionell die Heimat der Friesen, einer Bevölkerungsgruppe, die an der Nordseeküste in den Niederlanden und in Deutschland lebt.

Karte von Temmo Bosse

Föhr ist Deutschlands grösste und bevölkerungsreichste Insel ohne Landverbindung.
Ich kenne bereits Sylt, Norderney und Helgoland – es gäbe also noch viele Friesische Inseln zu entdecken.

Föhr liegt südlich von Sylt. Von Föhr kann man mit blossem Auge nach Amrum sehen.

Föhr gehört zum Kreis Nordfriesland in Schleswig-Holstein und hat mit einer Fläche von 82,82 Quadratkilometern eine rundovale Form, ist in Nord-Süd-Richtung bis zu 8,5 Kilometer breit und in Ost-West-Richtung 12,5 Kilometer lang. Der höchste “Berg” liegt auf einer Höhe von 13,2 Metern.

Föhr liegt gut geschützt inmitten anderer Inseln. Kilometerlange weisse Sandstrände locken Meer-Fans.  Im milden, vom Golfstrom begünstigten Seeklima kann sich die Vegetation gut entwickeln.


Man unterscheidet zwei Arten von Landschaft: Das Marschland, Schwemmland, im Norden, ist erdgeschichtlich jünger als die Geest im Süden. Sie ist höhergelegen, eher unfruchtbar und gekennzeichnet durch Sandablagerungen aus der Zeit des Pleistozäns.

Unser 2-Tage Ausflug führte von Hamburg mit dem 9-Euro-Ticket nach Norden, nach Dagebüll, wo wir zu Fuss die Fähre bestiegen und in Wyk, der grössten Ortschaft der Insel, auf Föhr ankamen.

Wyk entstand nach 1600. Walfang brachte die Stadt zu Wohlstand. Als dieser um 1800 an Bedeutung verlor, verringerte sich die Einwohnerzahl zwischen 1788 und 1820 von 772 auf 582 Personen und etwa ein Viertel der Gebäude verfiel.

Unterdessen entwickelte sich die Stadt zu einem Seebad und heute sichert der Tourismus dem Nordseeheilbad Wyk das Haupteinkommen.

Bereits 1847 zeigte sich der dänische König Christian VIII. Wyk als Trendsetter, indem er Wyk als seine Sommerresidenz wählte. 1844 folgte ihm der dänische Dichter Hans Christian Andersen.

Heute leben rund 8500 Insulaner permanent auf Föhr, im Sommer vervielfacht sich die Zahl: Tagestouristen und Feriengäste.

Entsprechend zeigt sich die Inselstadt sehr touristisch mit Shops und gastronomischen Angeboten.

Wir bekamen von Föhr-Tourismus ein super Programm organisiert und ein Elektroauto, mit dem wir von Programmpunkt zu Programmpunkt kurvten.

Auf unserem Programm stand für den ersten Tag ein Besuch bei einer Trachten-Expertin, eine Führung auf einer Farm und ein Abend und eine Nacht am Strand. Am anderen Morgen trafen wir einen jungen Mann, der uns erzählte, wie es heute für junge Menschen ist, auf Föhr aufzuwachsen. Den krönenden Abschluss bildete eine Wattführung. Wir waren rund 26 Stunden auf der Insel.

Trotz – oder wegen – des Tourismus sind die Föhringer stolz auf ihre friesische Kultur und Sprache. Das musste ich nachschauen:  Föhrer ist jeder, der auf Föhr lebt, Föhringer nur, wer friesische Wurzeln hat.

Diese ist bei weitem nicht nur in Männerhänden. Zu Zeiten, als die Männer monatelang auf Walfang waren, haben die Frauen auf der Insel das Leben organisiert – man erfährt dieses weibliche Selbstverständnis, wenn man sich mit der Föhringer Tracht befasst. Diese ist beispielsweise eine reine Frauentracht – eine Tracht für Männer existiert nicht.

Unser erster Besuch galt Kerstin Christiansen. Sie ist die Trachtenbeauftragte des Nordfriisk Instituut für den Bereich Föhr/Amrum und den Halligen, Teil der Trachtengruppe Utersum und ihr Anliegen ist es, möglichst viele fürs Tragen der traditionellen Föhringer zu motivieren, beispielsweise auch darin zu heiraten.

Die Tracht wird in der Regel von Generation zu Generation vererbt.

Verheiratete Frauen tragen eine mit schwarzen Perlen bestickte rote Haube, die gut sichtbar hinter dem aufwändig besticken Kopftuch auf dem hochgesteckten Haarzopf liegt.

Wegen der vielen Details kann das Anlegen einer kompletten Tracht bis zu zwei Stunden dauern. Allein Kopf- und Schultertuch werden mit über 100 Nadeln festgesteckt – da muss man schon geduldig sein.

Durch ihr stetiges Interesse an der Friesentracht kam Kerstin Christiansen schon im Alter von 16 Jahren dazu, das Kopftuch (Braanjnöösduk) zu binden, was aus einer speziellen Technik des Legens, Knotens und Steckens besteht.

Das Halstuch (Halsnöösduk) ist ein mit schwarzen Fransen besetztes Dreiecktuch, das mit rund 65 schwarzen Knopfnadeln auf das Mieder festgesteckt wird.

Der Rock ist 3,5 bis 4 Meter weit. Er wird in Handarbeit an das Mieder genäht. Im Rückenteil ist er in etwa 60 Falten gelegt.

Die Ärmel sind aus Taft, Kunstseide oder Samt und mit Bordüren verziert.

Die weisse Schürze (witj Skortluk) ist aus Batist und mit verschiedenen Lochstickereien versehen.

Ein besonderer Blickfang ist der reiche Filigran-Silberschmuck mit seinem prachtvollen Amulett, das häufig mit Kreuz, Herz und Anker als Zeichen der Seefahrt und Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung verziert ist.

Die Föhringer Frauen sind in ihrer Tracht wahrlich “versilbert”. Die Gliederkette wird von 10 bis 12 Filigranknöpfen umrahmt und in der Mitte mit feinen Silberketten vervollständigt. Dazu werden an den Ärmeln jeweils ein Paar Knöpfe getragen. Zur Ausstattung gehören zudem ein Silberhals- und Armband sowie ein Fingerring und kleine Nadeln mit Filigranknöpfen am Kopftuch.

Eine solche Tracht hat einen Wert von rund 5000 Euro.

Die Familie von Jan Robert Hinrichsen sind seit 1630 Landwirte auf Föhr, seit 1771 in Dunsum.

Vorfahren wanderten nach Amerika aus, einige kamen zurück, um ihr neues Wissen in den Betrieb zu integrieren. Andere wurden Kapitäne und ein Familienzweig betrieb ein Delikatessengeschäft in New York.

Jan Robert Hinrichsen vereint auf seinem Hof Tradition mit Innovation: “Dabei achten wir aus Tradition stets auf eine enkeltaugliche Bewirtschaftung unseres Hofes. Zum einen setzten wir auf erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft und Biolandwirtschaft, aber auch auf langfristige Partnerschaften mit Mitarbeitern und lokalen Unternehmen.”

Neben der Landwirtschaft hält er 60 Shorthorns, eine aussterbende Rinderrasse. Und Protestschweine. Gezüchtet wurde die Rasse Ende des 19 Jahrhunderts nach der Eroberung Schleswig-Holsteins durch Preussen und Österreich. Das Schwein hat eine der dänischen Flagge ähnliche Farbgebung. Die neue Zucht war der Protest in Nordfriesland lebender Dänen auf das Verbot, den Danneborg zu hissen. Schweine statt Flaggen! Auch Föhr war damals zweigeteilt, der Westen dänisch, der Osten preussisch.

Zudem bietet er zahlreiche Freizeitangebote an.

Er baut Roggen und Gerste an und braut daraus Whisky.

Das Getreide wird auf dem Malzboden gemälzt, gebraut und in der hofeigenen Destillerie gebrannt.

Die Fasslagerung auf dem Heuboden 500m hinter dem Deich verleiht dem Whisky – beeinflusst von Wind und Wetter der Insel – einen einzigartigen Geschmack.

Die Whiskyführungen bedeuten für viel Besucher einen nachhaltigen Höhepunkt ihrer Inselferien. Ein Hofladen und ein Café runden das Angebot des erfolgreichen Bauern ab.

Nun galt es, in Nieblum unser “Körbchen zum Schlafen” zu finden. Im “Südwester Kiosk” wurden wir von Käthe herzlich mit einem Cocktail empfangen.

 

Abends ist der Strand leer.

Ein einmaliges Erlebnis. Einschlafen im Schlafstrandkorb beim Plätschern der Wellen.

Nachts aus dem Strandkorbfenster zu den Sternen schauen…

…und den Sonnenaufgang bei einem frühen Strandspaziergang erleben und mit den frühen Spaziergängern zu plaudern.

Und dann galt es, im nächsten Ort beim Bäcker anzustehen und zu frühstücken.

Foto von der Webseite Föhr Tourismus: https://www.foehr.de/hafenfuehrung-mit-till-stubenrauch

Till Stubenrauch stand als nächster auf unserem Programm. Wir trafen ihn am Hafen in Wyk und er schenkte uns viel Zeit, um uns zu erzählen, wie sich eine Jugend auf der Insel anfühlt. Der clevere junge Mann wird für sein Studium “Nautik” aufs Festland ziehen müssen.

Rund 40 Prozent der Jugendlichen machen eine Lehre auf der Insel, müssen aber mit der Fähre zur Berufsschule, ein Weg dauert 1 bis 1,5 Stunden. 80 bis 90 Prozent der Abiturienten studieren auf dem Festland.

Noch bietet er aber fast wöchentlich Hafenführungen von einer Dauer von 75 Minuten zu 7 Euro an. Der passionierte Segler interessiert sich für die Seefahrt, möchte Lotse werden, vielleicht auf der Elbe.

Zu Zeiten der Pandemie war es ruhig auf der Insel, eine besondere Erfahrung. Im Sommer treffen sich Jugendliche aus der ganzen Welt. Es hat lediglich rund 40 junge Menschen mit seinem Jahrgang auf der Insel. “Da ist es nicht ganz einfach, Freunde zu finden, die viel Gemeinsames haben. Im Winter kann es für uns Junge schon ein wenig einsam sein”, meint Till.

In den 60-er Jahren gab es hier noch rund 45 Krabben-Kutter. Heute noch 10.

Die Krabben reisen 7000 Kilometer nach Marokko, wo sie gepuhlt werden. Dann werden sie wieder zurückgeschippert. “Krabben hat es noch genug, erklärt Till, “aber es lohnt sich nicht mehr, sie zu fischen. Die internationale Konkurrenz schläft nicht und die Dieselpreise steigen.” Die Miesmuschelbänke sind ausgefischt. “Es fehlen Infrastrukturen für Meerestiere”, fasst Till zusammen.

Er ist überzeugt, Umweltverantwortung hat jeder. Er selbst isst wenig Biofleisch, fährt Fahrrad. Und weiss eine Menge über die Klimaveränderung – mit ihm könnte man sich stundenlang austauschen.

Föhr liegt im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, einem Weltnaturerbe der UNESCO.

Eine Wattführung war unser nächster Programmpunkt: Eine Wattführung mit dem Biologen und Nationalpark-Ranger Achim Steinbeck. Er bietet naturkundliche und ornithologische Führungen, sowie Wattwanderungen auf der Insel an. Er ist zudem „Experte“ für das einzige Seeadlerpaar, das auf der Insel brütet.

Ganz besonders interessant sind die Wattwürmer – ihre Kothaufen sind im Watt allgegenwärtig. Der rotbraune Wurm wird etwa 20 bis 40 Zentimeter lang und ist in der vorderen Hälfte etwa fingerdick.

Er frisst ständig den Sand des Wattes und filtert dabei die organischen Stoffe heraus, die er dann verwertet.

So fressen die Wattwürmer der Nordsee einmal im Jahr den gesamten Sand des Wattes oberhalb von 20 cm Tiefe. Pro Quadratmeter arbeiten sich durchschnittlich 40 Würmer durch den Sand. Sie tragen so zur Destabilisierung und Umwälzung des Wattbodens bei. Ein einzelner Wattwurm filtert rund 25 kg Sand jährlich.

Das Watt ist eine Kinderstube für Speisefische, erklärt er, nimmt ein Sieb aus seinem Rucksack und zieht es durchs Wasser.

Wer aufmerksam ist, findet Spuren von vielen Lebewesen.

Wer wohnt denn da?

Achim Steinbeck weiss viel. Beispielsweise erklärt er: “Krabben haben einen zu einer kurzen Schwanzplatte umgebildeten Hinterleib, der umgeklappt unter dem Kopfbruststück liegt – der Zwischenraum dient bei den Weibchen als Brutraum.”

Bei jedem Schritt entdeckt man was zum Bestaunen.

Die Muschel ist nicht einfach weiss. Gern würde ich diese zeichnen und mit Aquarellfarben malen.

Die Weite des Wattenmeeres mit seinen tausenden Bewohnern macht nachdenklich.

Barfuss im warmen Wasser stehen und die Augen in die Ferne schweifen lassen weckt Demut.

Föhr, ich komme wieder. Nächstes Mal mit Hund!

Das Meer beginnt an jedem Strand.

Manfred Hinrich

Informationen
Föhr Tourismus
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Jan Robert Hinrichsen
Strandkorb zum Schlafen
Till Stubenrauch
Achim Steinbeck

Dank
Mein grosser Dank geht an Anna Preissler von Föhr Tourismus. Sie hat unsere Reise organisiert und uns kompetent und liebevoll betreut. Ein besonderer Dank geht an Käthe vom Südwester Kiosk. Sie ist eine super Gastgeberin mit rauer Schale und einem grossen Herz.
Danke auch Kerstin Christiansen, Jan Robert Hinrichsen und Achim Steinbeck, äusserst kompetente Vertreter ihrer Fachgebiete. Und nicht zuletzt: Herzlichen Dank, Till. Da wächst auf Föhr eine wunderbare Generation heran, von der wir “Alten” viel lernen können.

Musik
Wo die Nordseewellen
Musik zum Film Die Nordsee – unser Meer
Nordsee Klavier

Buchtipp
Frauen und das Meer

In diesem wunderschönen Buch mit Porträts von Frauen, die sich beruflich mit dem Meer beschäftigen, kommt eine beeindruckende Krabbenpuhlerin zu Wort.

Florence Hervé und Katharina Mayer haben 19 Frauen besucht, für die das Meer zum Leben gehört, der Atlantik, die Nordsee, das Mittelmeer oder die Ostsee. Sie sind Leuchtturmwärterin,  Malerin, Kapitänin oder Meeresbiologin. Das Meer ist ihre tägliche Herausforderung und die Quelle ihrer Inspiration.

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  1. Ritanna

    Der Biswind pfeift jetzt kalt um die Ohren. Da tut es mir fast weh, Föhr’s Sommer mit Augen zu geniessen. Schön muss es sein!
    Zudem hoffe ich, dass trotz Whisky immer noch genug Roggen und Gerste für der Menschheit Ernährung reicht.

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