Eine Nacht in Brügge

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Auf der Heimreise von der Twerenbold-Gartenreise durch Südengland übernachtete ich in Brügge und verliebte mich in diese idyllische Stadt.

Letzte Woche musste ich journalistisch über einen Abend mit Jaap Achterberg berichten. Er sang Lieder von Jacques Brel.
Bisher war mir nicht bewusst gewesen, dass Brel Belgier, Flame gewesen war. Brel komponierte ein Lied, in dem Brügge vorkam. Nun ist Brügge für mich persönlich unwiderruflich mit Jacques Brel verbunden.

Hört Euch zum Lesen des Beitrags Brels Chanson Marieke an – er liebte sie von Brügge bis Gent. Unter dem Himmel Flanderns.

In Brügge gibt es eine Statue von Marieke, eine Hommage an Jacques Brel. Das Denkmal habe ich nicht gesehen – ich muss also nochmals hin.

Belgien ist für mich noch ein relativ unbekanntes Reiseland.

Ich war ein paar Tage in Antwerpen, weil ich warten musste, bis mein Frachter mit 21 Mann (und mir) nach Philadelphia ablegte.

Schon damals stand mein Entschluss fest, wieder einmal nach Belgien zu reisen.

Landkarte Belgien

Nach Brügge kam ich “by the way”, auf der Heimfahrt von England.
Ich hatte einen Abend für mich allein in dieser zauberhaften Stadt im Nordwesten Belgiens, in der Provinz Westflandern.

Im Spätmittelalter war Brügge ein Zentrum der Textilindustrie und des europäischen Fernhandels.

Brügge und Spitze sind seit Menschengedenken untrennbar miteinander verbunden. Auf meinem Spaziergang durch die Altstadt entdeckte ich viele “Spitzenshops”.

Zum Glück waren die meisten geschlossen – bei Spitzen werde ich schwach.
Würde ich wieder nach Brügge fahren, würde ich eine Spitzenwanderung machen und im Kantcentrum (Spitzenzentrum) einen Kurs belegen.

Der Hafen von Brügge-Zeebrügge gilt auch heute wegen der geographischen Lage am Ärmelkanal, der Nähe zur Küste Englands und dem Zugang mit grossen Wassertiefen als einer der wichtigsten Häfen Europas.
Von Brügge aus erreichte man den Hafen über verschiedene Kanäle.

Im Spätmittelater war Brügge eine reiche Stadt mit einer lebendigen Kultur.  Was besonders schön ist: Die Stadt wurde nie durch Kriegsereignisse oder Feuersbrünste zerstört.

Deshalb ist Brügge eine beliebte Stadt für einen Wochenend-Tripp.

Beispielsweise auch für junge und alte Verliebte.

Der mittelalterliche Stadtkern ist gut erhalten und wirkt sehr gepflegt.

Blumenschmuck ziert die Strassen.

Im Sommer sind die Strassencafés und Biergärten gut besucht.

Man beginnt den Stadtspaziergang am besten am zentralen Marktplatz, dem Grote Markt.
Der 83 Meter hohe Belfried ist in die Stadthallen integriert. Beide wurden im 13. Jahrhundert erbaut, ein Zeichen für den Reichtum der Bürger.
Er wurde auch als Brandwache genutzt.

Am Fusse des Belfrieds befinden sich heute die berühmtesten Frittenbuden der Welt und zahlreiche Restaurants locken die vielen Touristen.

In der Platzmitte erinnert ein Denkmal an zwei Brügger Volkshelden, die 1302, als sich die Flamen gegen die französische Vorherrschaft auflehnten, eine wichtige Rolle spielten.

Vom Denkmal aus hat man eine schöne Sicht auf den neugotischen Provinzialpalast. Bis ins 18. Jahrhundert stand hier die Waterhalle, der überdachte Stapelplatz, wo Waren geladen und gelöscht wurden.

Die Grachten fliessen noch immer am Markt entlang, heute allerdings unterirdisch.

Im Historium erfährt man mehr über das Mittelalter in Brügge – ein museumsdidaktisch raffiniert gestaltetes, interaktives historisches Museum.
Vom Turm hat man einen guten Blick über den Grote Markt.

Der Burgplatz mag nicht so berühmt wie der Grote Markt sein – aber er ist nicht weniger interessant. Hier findet man nicht nur die architektonisch beeindruckende Stadthalle mit der sehenswerten gotischen Kammer, sondern auch die Heilig-Blut-Basilika. Sie soll eine der bedeutendsten Reliquien Europas beherbergen.
Angeblich liegt hier ein kleines Gefäss mit den Blutstropfen von Jesus. Jeden Freitag wird die Reliquie den Gläubigen in der Messe gezeigt.

Beeindruckend ist die Stadthalle. So viele Türmchen!

Beim Spaziergang durch die Altstadt erblickt man immer wieder die Liebfrauenkirche.
Im Inneren der Kirche steht man plötzlich vor der Brügger Madonna von Michelangelo aus dem Jahr 1503. Ursprünglich für den Hochaltar des Doms von Siena bestimmt, verkaufte sie Michelangelo zwei reichen Brügger Kaufleuten.

Beim Flanieren muss man aufpassen, denn viele Brügger flitzen mit Fietsen durch die Stadt.

Bierliebhaber kommen in Brügge voll auf ihre Rechnung. Die belgischen Biere sind weltbekannt.

Spitzen, Bier und…

…Schokolade!
Hier gibt es überall die “weltbeste” belgische Schokolade.

Irgendwann wird man schwach.

Ratlos steht man vor der grossen Auswahl.

Kein Problem, es gibt unterschiedlich grosse Schachteln, von allem etwas…

Brügge nennt man auch Venedig des Nordens.

Die Kanäle, welche die Stadt durchfliessen, nennen die Einheimischen “Reien” – nach dem im Mittelalter vollständig kanalisierten Flüsschen Reie, über das Brügge direkt mit der Nordsee verbunden war.

Ich hatte ein Venedig-Gefühl, als ich an diesem Sommerabend den Kanälen entlang tolle Motive für Fotos entdeckte.

Ich setzte mich auf eine kleine Mauer und liess die Ruhe des Wassers auf mich wirken.

Jetzt ist es Zeit für den belgischen Komponisten Peter Benoit. Dieses Stück erinnert mich an Wasser.

Hier kann man sich locker ins Mittelalter zurückträumen.

Türen direkt am Wasser beweisen, dass die Brügger Bürger oft mit dem Boot unterwegs waren.

Apropos Türen. Ich konnte in Brügge auch auf Türensuche gehen.

Türen, Portale…

runde Türbögen…

leicht zugespitze Türbögen…

eckige Türen…

und Eselsrücken-Türen.

Typisch sind die Treppengiebel.

Selbst die kleinsten Häuser plustern sich mit Treppengiebeln auf.

Hier ist ein Treppengiebel in eine Pfütze gefallen.

Irgendwie zweigen überall kleine Gässchen in “heilige Hallen” ab.

Heilige sind allgegenwärtig in dieser Stadt.
Hier ein Stück aus meiner Lieblingsmesse vom flämischen Komponisten Peter Benoit.

Allen voran Marien-Statuen.

Mega-Mix: schmiedeeiserne Laterne, Backsteinmauer, Sandsteinsockel und eine Maria.

Wo Wasser eine Stadt durchfliesst, hat es Brücken. “Von allen Brücken spucken lauter Nepomuken”, hat Rilke gedichtet. Nepomuk ist mein Lieblings-Heiliger.

So habe ich mir schon als kleines Kind eine Begine vorgestellt. Mein Vater hat uns Geschichten des flämischen Schriftstellers Felix Timmermans vorgelesen.
Nie vergessen habe ich die Geschichte “Die sehr schönen Stunden von Jungfrau Symforosa, dem Beginchen”, die Liebesgeschichte einer Begine, deren unerfüllbare Liebe im Verzicht ihre Erfüllung findet.
Das klingt religiös, aber ich habe die Beginenbewegung so verstanden, dass Frauen sich zusammengetan und ein eigenverantwortliches Leben geführt haben – bereits im Mittelalter.

Beginen wohnten in Beginenhöfen und pflegten eine eigenständige, gottesgefällige, barmherzige Lebensform. Beginen legten, anders als Nonnen, kein Gelübde ab, verpflichteten sich aber zu einer den Regeln entsprechenden Lebensführung.
Sie lebten von der Arbeit ihrer Hände und von der mitgebrachten Aussteuer. Sie konnten jederzeit wieder in den weltlichen Stand zurücktreten und beispielsweise heiraten.

Dass dies der Kirche nicht passte und sie diese Lebensform als Ketzerei anprangerte, erstaunt nicht. Sie hob die Beginenhöfe auf.

Musikalischer Input: Peter Benoit, Panis Angelicus

Der „Fürstliche Beginenhof Ten Wijngaarde“ mit weiss getünchten Fassaden und einem verträumten Klostergarten wurde 1245 gegründet.

Ich hatte mich sehr auf den Beginenhof gefreut, aber als ich endlich ankam, waren die Türen verschlossen.

Hier wäre ich gern mit am Gartentisch gesessen.

Also spazierte ich weiter über Brücken…

vorbei an Kirchen…

… und Läden.

Ich beobachtete Schwäne…

… liess mich vom Wasser…

und vom Grün dieser Stadt begeistern.

Ich bewunderte, wie die Vegetation die Mauern erobert und,

sich Bäume im Wasser spiegeln…

und auch im hohen Alter Blätter tapfer bilden.

Ich durchschritt Torbögen und überquerte kleine Brücken…

… hörte Strassenmusikern zu und bekam schliesslich Hunger.

Restaurants gibt es unendlich viele.

Ich setzte mich in ein Strassencafé, und musste laut lachen, als ich die Speisekarte las: Muscheln und Fritten sind typisch für Belgien. Ich wählte “it Weibwein”. 🙂

Wie sollte man leben? In lebendiger Offenheit gegenüber allen.

Mechthild von Magdeburg (um 1210 – 1283), deutsche Begine und christliche Mystikerin

Film Beginenhöfe in Flandern

Musik
Jacques Brel: Mein flaches Land
Jacques Brel: Das Lied der alten Liebenden
Jacques Brel: Lass mich nicht allein

Peter Benoit ist ein belgischer Komponist, dessen Messe Solenelle ich besonders gernhabe. Ich höre sie oft an einem Sonntagmorgen.
KyrieGloriaCredoSanctusBenedictus aus der Messe Solenelle
Fantasie Nr. 3

Informationen
Schlösser und Garten-Reise nach Südengland, Brügge auf dem Rückweg
Brügge Tourist Information
Flandern

Artikel Jaap Achterberg singt Brel

Dank
Ich danke Twerenbold Reisen für die Reise zu den Gärten und Schlössern in Südengland, über die ich bereits mit dem Beitrag zu Sissinghurst berichtet habe. Auf dem Heimweg übernachteten wir in Brügge.


Von Twerenbold Reisen habe ich online bereits berichtet:
Elbphilharmonie Hamburg
Musikreise
Wittenberg

 

Online-Katalog

Königsklasse Busreisen

Buchtipp
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Lachen und sein Komponist Joachim Raff

  1. ritanna

    Brügge; ein zauberhaftes Städtchen, man möchte dort wohnen, zumindest Ferien machen, schlendern, geniessen und schauen. So liebenswürdig hast Du so vieles ins Blickfeld gerückt.

  2. Dori

    Wow, isch das schön!

  3. Kaufmann

    Schöne Erinnerung an meinen Besuch von Brügge. Ich war dort, um das Grab von Karl dem Kühnen und seiner Tochter Maria von Burgund zu besuchen. Es zeigte sich zugleich, dass es eine sehr reizvolle Stadt ist. Sie zu besuchen lohnt sich ganz gewiss! Kulinarisch gab sie aber nicht so viel her…Die Schokolade schmeckt gut!

  4. Susanne Mauerhofer

    So schön! Ich war noch nie in Belgien. Das sollte sich ändern!

  5. Theresa

    Ja, Brügge ist wie Leuven und wie im Mittelalter! Wir haben im Beginenhof gewohnt, einer alten Klosteranlage. Das Haus war direkt am Kanal und wenn jemand von uns die WC-Spülung betätigte, rannten alle Kinder hinaus um zu schauen, wie es unten am Haus aus dem Rohr und in den Kanal ging … Mittelalter eben. 😀 Aber die Waffeln in Belgien sind traumhaft.

  6. Rita

    Ja, Brügge hat mir auch sehr gut gefallen, als ich im letzten Seprtember einen längeren Spaziergang durch diese gemütliche Stadt machte, ebenfalls bei strahlendem Wetter.
    Wenn ich deine prächtigen Bilder betrachte, kann ich mir kaum vorstellen, dass du sie alle an einem einzigen Tag gefunden hast!

  7. Ute Vogel

    Wunderbar beschrieben! Mit sehr schönen Bildern. Fast hatte ich das Gefühl dabeigewesen zu sein. Danke.

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