Tours und Orléans

Print Friendly, PDF & Email

Mit dem Jahreswechsel erinnere ich mich an die tollen Reisen des vergangenen Jahres und bin dankbar.
Ein Höhepunkt 2017 war meine Reise durch das Loiretal.

Loiretal = Schlösser. Diese Gleichung ist zu eng gesehen. Denn im Loiretal gibt es auch hübsche Städte.
Ich mag besonders Tours und Orléans. Beide Städte haben beeindruckende Kathedralen und Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter. Und sie haben beide bedeutende Heilige: Was der Heilige Martin für Tours ist, ist Jeanne d’Arc für Orléans.

Tours und Orléans sind ideale Ausgangsorte für Schlossbesichtigungen im Loiretal.

Ich kam im Bahnhof von Tours an.

Hier wurde ich von einem jungen Mann herzlich begrüsst, zuerst tranken wir ein Glas Wein und ich bekam erste Informationen – und eine Flasche Wein als Willkommenspräsent.

Dann brachte er mich zum B&B Maison Jules, fünf Minuten vom Bahnhof entfernt, in einer kleinen, unspektakulären, grauen Strasse. Als sich das grosse Tor öffnete, standen wir in einer kleinen heilen Welt.

Dichtes Grün, Vogelgezwitscher, ländliche Idylle, als würde in unserem Rücken der Verkehr nicht lärmen und stinken.

Ich finde alles sehr “französisch” in meiner “Suite”.

Nun kann mich nichts mehr halten: Stadt entdecken. Ich gehe zu Fuss zum Kunstmuseum, wo ich erwartet werde.

Ich finde hier einfach alles sehr “französisch”. Die Häuser…

Die Fenster…

… und die Spiele der jungen und alten Männer.Das architektonisch überzeugende Centre de Création Contemporaine Olivier Debré «CCCOD» wurde im März 2017 eröffnet. Ich bekam eine Führung von einem Kunststudenten, der Feuer und Flamme für “sein” Museum war – und prompt vergassen wir die Zeit.

Peinlich, ich wurde im Museum ausgerufen. Caroline, die meine Reise organisiert hatte, holte mich ab, zusammen spazierten wir zur Cher.

Hier treffen sich die Leute abends auf ein Glas Wein oder ein Bier und sitzen am Flussufer oder in “La Ginguette”, einem Ort, wo sich die Leute zum Essen, Trinken, Plaudern und Tanzen treffen – wie man es von den Bildern der Impressionisten kennt.

Die Loire ist mit 1012 Kilometern Frankreichs längster Fluss. Sie entspringt im Zentralmassiv und mündet bei St. Nazaire in den Atlantik.
Ihr ungezähmtes Flussbett mit den zahlreichen Sandbänken hat seine Ursprünglichkeit bewahrt.
Die liebliche Landschaft des Loiretales mit ihrem milden Klima wird als «Garten Frankreichs» bezeichnet.

In Frankreichs bewegter Geschichte spielte die Loire immer wieder eine wichtige Rolle.
Während des Hundertjährigen Krieges blieb das Loiretal französisch. Hier konzentrierte sich der Widerstand gegen die Engländer. Ein lothringisches Bauernmädchen, Jeanne d’Arc, leitete durch die Befreiung Orléans die Wende ein.
Seit Ende des 15. Jahrhunderts erlebten die Touraine und die Gegend um Blois ihre grosse Zeit als Lieblingsprovinzen der Könige aus dem Hause Valois. Unter den 13 Valoiskönigen, insbesondere unter Karl V., Karl VII., Ludwig XI. und Franz I., wurde in Frankreich die Rolle der Krone gestärkt und die Zentralisierung auf die Hauptstadt Paris fortgesetzt.
Auch das französische Nationalbewusstsein festigte sich unter den ersten Valoiskönigen.
Ihre feudalen Residenzen locken heute Tausende Touristen ins Loiretal.

Caroline und ich genossen einen sensationellen, “sehr französischen” Apéro und die Tourismus Expertin erzählte mir begeistert von Chenonceau, dem Schloss, wo sie arbeitet, und von der Stadt Tours.

Martin von Tours war der dritte Bischof von Tours. Barmherzig teilte er seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte einem Armen. Er ist einer der bekanntesten Heiligen der katholischen Kirche und wird auch in der orthodoxen, anglikanischen und evangelischen Kirche verehrt. Während des gesamten Mittelalters waren Tours und das Grab des Heiligen Martins religiöses Zentrum und Ziel von Pilgerwallfahrten.

Caroline fuhr nach Hause in ihr Cottage, ich flanierte durch die Stadt und erreichte die gotische Kathedrale Saint-Gatien, gerade als die Sonne sie mit ihren letzten Strahlen vergoldete.

Die Kathedrale hat eine feingliedrige spätgotische Fassade und zwei Türme aus Tuffstein der Region. Der Nord- und Südturm sind von Renaissancekuppeln gekrönt. Die Buntglasfenster aus dem 13. Jahrhundert tauchen das Innere in ein mystisches Licht.

Schon von aussen fallen die farbigen Glasfenster auf.

Voller Staunen und andächtig stehe ich vor der Farbenpracht der Fenster aus verschiedenen Epochen. Aber nie und nimmer so andächtig wie diese Madonna – ein Frauen-Archetyp, der die Rolle der Frauen über Jahrhunderte geprägt hat. Erduldend, leidend, ohne Ansprüche.

Auf den Kirchenboden fallen Farbkleckse. Man würde am liebsten drin baden.

Meine Andächtigkeit ist wie weggeblasen, als ich entdecke, dass die Fenster der Kathedrale wie Comics zu lesen sind. Da wird beispielsweise in Bildsprache von Teufelsaustreibungen erzählt. Der Teufel entflieht in der unteren Darstellung durch den Mund, oben als Furz. Geschichten hat es überall, man muss sie nur sehen.

Die Kathedrale ist wunderschön, aber ich bin froh, aus den “heiligen Hallen” wieder ins Hier und Jetzt zurückkehren zu können.

Am nächsten Tag hatte ich eine individuelle Stadtführung.

Märkte wie der Blumenmarkt, der Trödelmarkt und der Feinschmecker-Markt beleben das Stadtbild. Cafés und Restaurants machen die Place Plumereau mit ihren wiederaufgebauten Fachwerkhäusern zu einem beliebten Treffpunkt.

Viele kleine Läden verlocken und verführen.Besonders gefallen hat mir diese freistehende Fassade – ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten.  Bäume wachsen auf dem alten, romantischen Gemäuer, dahinter das Heute, mit einem Blumentopf voller Kräutern auf dem Fensterbrett.

In den folgenden Tagen besuchte ich Schlösser, um dann wieder zum Bahnhof zu gehen und von Tours Abschied zu nehmen.

Die nächste etwas grössere Stadt, die ich besuchte, war Orléans.

Im Mittelalter hatte Orléans einige Bedeutung. In merowingischer Zeit war die Stadt von 511 bis 613 ein eigenständiges Königreich. Hier wurden auch mehrere französische Könige gewählt und gekrönt. Weniger ruhmvoll: Im Jahr 1022 wurden mehrere hohe Gelehrte verbrannt, die ersten Verbrennungen des christlichen Mittelalters. 1428/29 war Orléans im Hundertjährigen Krieg letzte Bastion der Franzosen gegen die Engländer.

Unter Führung von Jeanne d’Arc, der «Jungfrau von Orléans» gelang die Befreiung.

1431 wurde Jeanne d’Arc im Alter von 19 Jahren auf dem Marktplatz von Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

In Orléans ist “Jeanne d’Arc“ allgegenwärtig. Es gibt einen ausgeschilderten Rundgang.

Ihr zu Ehren trägt auch eine Strasse ihren Namen. Sie führt direkt zur Kathedrale Sainte-Croix, einem Meisterwerk der gotischen Baukunst. Ihre Glocken wurden in der Glockengiesserei Bollée ganz in der Nähe des Stadtzentrums hergestellt. Sie ist immer noch in Betrieb und beherbergt ein interessantes Museum.

 

Schon immer hatte Orléans eine enge Bindung zu seinem Fluss, dem sie vor allem ihre reiche Vergangenheit als Handelszentrum verdankt. Auf der Loire wurden Wein, Stoffe, Schiefer aus dem Anjou, Salz und getrockneter Fisch aus dem Atlantik befördert.
Empfehlenswert ist ein Spaziergang am neu gestalteten Ufer der Loire. Im Sommer sorgen musikalische Darbietungen und der Loire-Wein in der Guinguette „La Sardine“ für Stimmung.
Auch Orléans hat zwei bedeutende Kunstmuseen.

In der neu gepflasterten Fussgängerzone des Altstadtviertels lässt es sich wunderbar flanieren und einkaufen.

Die Stadthäuser gefallen mir, aber am meisten mein “Hotel de l’Abeille“.

Das Vordach ist “sehr französisch” und die Treppe unglaublich steil.

Der skurrile Plüsch-Stil hat seinen eigenen Charme. Die Sammlung von Darstellungen von Jeanne d’Arc ist riesig. Und in meinem Zimmer? Der Traum vieler Frauen: Ein begehbarer Schrank, dessen Licht angeht, wenn man eintritt…

Die Geschichte hat Helden und Werkzeuge und macht beide unsterblich.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

 

Heute ist der 1. Januar 2018. Welche Reisen dieses Jahr wohl bringt?
Januar: Bellwald und Südfrankreich.
Februar: eine Musikreise nach Norddeutschland und eine Reise durch Marokko.
Ich bin neugierig, offen, begeisterungsfähig – und freue mich, meine Erlebnisse mit Euch zu teilen.

Musik
La guinguette au bord de l’eau
Bal musette & guinguette

Orléans und Musik -> New Orleans – die Musik dieser Stadt mag ich.

Informationen
A tout France
Schloss Chenonceau
Loiretal
Touraine und Loiretal
Loiret
Ich danke obigen Organisationen für diese Reise, ganz besonders Elodie und Caroline!

Vorheriger Beitrag

Auf den Spuren von Stille Nacht

Nächster Beitrag

Begeisterungsfähigkeit

  1. Susanne Mauerhofer

    Oh da möchte ich gerade meine Koffer packen und abreisen! Das Jahr ist noch jung und ich lasse mich gerne von dir zu Reisen inspirieren.

  2. Rita

    Zwar habe ich meine Koffer gerade eben wieder versorgt, nachdem ich von der Côte d’Azur zurück gekommen bin. Aber deine Bilder locken! Frankreich bietet so unglaublich viel.

  3. Nicky Ardin

    Was für ein schöner Artikel, liebe Regula. Da möchte man am liebsten gleich los. Bei meiner Reise in die Bretagne vor einigen Jahren hatte ich auch einen Tag in Orléans verbracht und war absolut begeistert.

    Ich wünsche dir einen guten Start in dieses neue Jahr, mit hoffentlich vielen weiteren und wundervollen Abenteuern.

    Zauberhafte Grüsse
    Nicky

  4. Adrian Spiegel

    Hallo Regula

    Da kann ich nur anfügen was meine Susanne schreibt, wenn sie mich überhaupt mitnimmt. Mich als begeisterten Stadtwanderer.
    Herzliche Grüsse und mein Kompliment für deine “Tour de France”.

    Herzlich Adrian

  5. Ritanna

    Fantastisch zu was mich immer wieder Deine Reisen Geschichten Bilder animieren: Heute, habe ich mich seit dem Vormittag ganz in Frankreichs Geschichte vertieft, in die Leben und Kriege der 13 Valois Könige, mit den bizarren Folterungen des Ritters de Gilles Baron de Rais – mit den aufgespiessten, geschminkten Kinderköpfen, die er rund 400 an der Zahl, auf grausame Weise sich an ihnen vergangen und ums Leben gebracht hat.
    Dieser Gilles Baron de Rais; heute unter “Blaubart” bekannt, der Tapfere Rais
    wurde ausgewählt Jeanne d’Arc , Jungfrau von Oréans auf ihrem Feldzug zu begleiten.
    1435 stiftete der origastische Massenmörder eine Kirche zum Gedenken der unschuldigen Kinder von Betlehem. 1440 wurde ihm der Prozess gemacht und er legte aus freien Stücken ein Geständnis ab, auf französisch, zur Ermahnung aller Väter damit sie wachen über ihre Kinder.
    Dabei, wie Regula erwähnt, zeigt; war und ist bis heute St. Martin ein Bindeglied zwischen Frankreich und Rom. Er verkörperte als asketischer Mönch das Ideal als Bischof oder Priesters.
    Wahrhaftig, dies Wissen lässt mich andächtig die wunderschönen Städte, Fassaden, Dome Kirchen Schlösser Winkel und Plätze betrachten, lässt mich für das “heute” danken.

Schreibe einen Kommentar

© Regula Zellweger | Alt werden kann ich später | Datenschutzerklärung| Impressum

Contact Us

Neue Beiträge abonnieren

Hier registrieren, um automatisch benachrichtigt zu werden.