Zeitzeichen – Zeitweichen

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Der Uhrmacher war nicht immer Uhrmacher, er war Briefträger bei der PTT, später bei der POST. Sein Vater, ein Bauernsohn, war Töpfer, der seine Ware an Märkten und bei Wiederverkäufern feilbot.

Der Schriftsteller war nicht immer Schriftsteller. Er führte das vom Grossvater gegründete Warenhaus Loeb in Bern und war Nationalrat.

Die beiden Männer wurden in unterschiedliche Welten hineingeboren. Ihr Leben verlief unterschiedlich. Was verbindet diese beiden Menschen aber?

Sie leben heute ihre Leidenschaft. Sie üben Berufe aus, denen sie sich im Erwerbsleben noch nicht ganz widmen konnten. Und sie sind weit über das Pensionsalter hinaus aktiv und zufrieden.

Beide befassen sich – wenn auch auf ganz unterschiedliche Art – mit Zeit.

Wenn der Uhrmacher Thomas P. von seinen Uhren erzählt, ist es beinahe, als würde er über einzigartige Persönlichkeiten sprechen. Da ist beispielweise die Kuckucksuhr, die er nach dem Tod des Besitzers wieder zurückgekauft hat…

…und die Uhr, die er vom Vater geerbt hatte.

Dieser hatte als Junge die Aufgabe, bei wohlhabenden Nachbarn eben diese Uhr aufzuziehen – und bekam sie schliesslich geschenkt. Sein Sohn hat sie restauriert.

Thomas P. hatte schon immer ein Flair für Feinmechanik.
Für seinen damals kleinen Söhne baute er eine immense Modelleisenbahnanlage und den Bürgenstocklift aus Zündhölzern, Anrieb war ein alter Plattenspielermotor.

Anlässlich einer Gewerbeschau stellte er die ganze Modelleisenbahnanlage aus und hängte drei restaurierte Uhren dazu. Damit begann seine Tätigkeit als Uhrmacher – unterdessen ist auch seine Uhrensammlung ist beträchtlich.

Besonders stolz ist er auf eine Uhr, die “verkehrt herum” funktioniert: Das Zifferblatt schwingt als Pendel.

Zuerst reparierte Thomas P. Uhren neben seiner Tätigkeit als Zustellbeamter der POST: “Früher war dieser Beruf viel gemächlicher. Wir hatten noch Zeit für einen Schwatz und einen Kaffee”, erinnert  er sich.

Später wurde das Flicken von Uhren seine Leidenschaft.

Seine Frau malt kunstvolle Bilder – und so haben beide ihre Hobbys.

In der fein säuberlich aufgeräumten Werkstatt ticken, schlagen und “kuckuen” viele Uhren.
Es sind viele edle Uhren, aber auch Kitsch. Der Uhrmacher flickt alle Uhren, welche die Leute gern haben.

Dankbare Kunden bringen immer wieder neue Uhren, aber auch neue Kunden. Thomas P. hat viel zu tun – er tut es gern!

Alte Uhren haben ein gewisses Etwas. Sie sind oft mehr als Zeitmessgeräte: Träger von Erinnerungen, Zeugen ihrer Zeit. Wenn sie statt zu ticken erzählen könnten…

Das Leben von Thomas P. ist ausgefüllt, erfüllend. “Die Zeiger hüpfen immer”, meint er lachend.

Das Universum bringt mich in Verwirrung; ich kann nicht verstehen, wie ein solches Uhrwerk bestehen kann ohne Uhrmacher.

Voltaire

 

François Loeb habe ich irgendwie per Mail kennen und schätzen gelernt. Ich hatte sein Buch “Buchhandlung zum goldenen Buchstaben” rezensiert.
Als ich einen Artikel über junge Frauen und ihre Läden in Bern schrieb, bat ich François Loeb, der jungen Buchhändlerin Tipps zu geben, wie sie wirtschaftlich überleben kann. Sofort arrangierte er ein Treffen mit ihr, hörte ihr zu und gab ihr Ratschläge.

Diese unkomplizierte Hilfsbereitschaft hat mich tief beeindruckt.

Nun ist sein neustes Werk erschienen: “Zeitweichen” – Fast-Read-Romane.
Jeder der schreibt weiss, dass es einfach ist, lange Geschichten zu schreiben. Schwierig sind kurze, knackige Texte, die man schnell liest und über die man lange nachdenkt.

Rund hundert Fast-Read-Romane finden auf 160 Seiten Platz, viele Seiten sind halb leer, denn jede Geschichte beginnt mit einer neuen Seite, mit einem neuen Thema.

Titel von Zeitimpfung, Zeitpolizei, Zeitzünder, Zeitdiebstahl, Zeitmuseum, Zeitmodifikation, Zeitflocke, Zeitgeist, Zeitgeil, Zeitinflation, Zeitlauf, Zeitnot, Zeitrausch, Zeitsammlung und Zeitsparlasse über Zeitlupe, Zeittotschlag, Zeitradierer, Zeitbombe, Zeit-Schrift, Zeitspaltung und Zeitkuss … bis zu “Keinezeit” machen neugierig.

Und was versteckt sich wohl hinter Titeln wie “Das Staubkorn der Ewigkeit”, “Hoch- und Tiefzeit” oder “Glück”? Hat jemand schon mal Zeit geschnuppert? François Loeb schreibt sogar über den Geruch der Zeit.

Bei dem grossen Schriftsteller hat jeder Satz ein Menschengesicht.

Christian Friedrich Hebbel

Freundlicherweise hat François Loeb dem Blog Geschichten aus dem Buch “Zeitweichen” zur Verfügung gestellt:Bildergebnis für Zeitweichen

Der Uhrenfreund
Sanduhristan
Zeitkuss
Die Zeit vergeht im Flug
Zeitsparkasse
Zeitimpfung
Uhrzeit

Meine Uhr tickt, schlägt und repetiert wieder – dank Thomas P.: Das Haus lebt!

Musik

Tanz der Stunden
Tanz der Stunden Disney, Fantasia
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  1. Ritanna

    Für mich ist das die fantastiste Lebensgeschichte. Und die Geschichten danach….
    ich will nur eine nach der anderen lesen . Dazwischen die Geschichte im Nachhinein geniessen, bevor ich vielleicht am nächsten Tag zur nächsten Geschichte finde. Ich empfinde dabei grossen Spass. Danke.

  2. Vreni B

    Einige Uhren erinnern mich an meine Kindheit. Urgrossvaters Taschenuhr ,Gugu-uhr bei den Grosseltern und von meinen Eltern habe ich noch eine Pendule. Danke für die schönen Geschichten zu diesem Thema

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