Kleine 3-Länder-Reise

Meine Enkelin hat ihre Matura bestanden, das wollten wir feiern, mit einer kleinen Reise.

Durch drei Länder führte die Reise: Schweiz, Frankreich und Deutschland. Mit anderen Worten, wir machten eine Rundreise um Basel. 🙂

Unsere erste Station war der Markt in Mulhouse, dem grössten im Nordosten Frankreichs.

Wurstwaren aus dem Elsass, Olivenöl aus Kalamata, Blutwurst aus dem Sundgau, gesalzener Kabeljau aus Portugal, getrocknete Tomaten aus Italien, Münsterkäse aus den Vogesen, Gewürze aus Indien, Garnelen aus Madagaskar, Gazellenhörner aus dem Maghreb, Steinpilze aus dem Périgord… genau so vielfältig wie die Palette der Produkte sind auch die Herkunftsländer der Besucher.

Man fühlt sich beinahe wie auf einem orientalischen Markt. Bei einem typischen Elsässer Flammkuchen erzählte ich meiner Enkelin die Geschichte von Frankreich und seinen Kolonialgebieten, beispielsweise den nordafrikanischen Ländern Algerien, Tunesien und Marokko. Letzteres wurde 1956 in die Unabhängigkeit entlassen, Algerien erst 1962. An den grausamen Algerienkrieg kann ich mich noch erinnern.

Eine Reise von Enkelin und Grossmutter ist auch ein wenig eine Reise durch die Welt- und Kulturgeschichte.Eine weitere Reise in die Vergangenheit führte uns ins Écomusée d’Alsace nahe bei Mulhouse.

Das Ecomusée d’Alsace ist das grösste Freilichtmuseum Frankreichs.

Es ähnelt einem traditionellen elsässischen Dorf aus dem frühen 20. Jahrhundert und umfasst mehr als 80 Gebäude auf einer Fläche von rund 100 Hektaren.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wir reisten Ende Juni, in einer heftigen Hitzeperiode. Die Störche machten sich gegenseitig Schatten, so heiss war es. 🙂
Wir passten unser Programm der Hitze an, in Städten hielten wir uns weniger lang auf, genossen aber abends einen Spaziergang nahe den beiden Hotels Engel:
Hôtel de l’ange in Niedermohrschwihr bei Colmar und Landgasthaus zum Engel in Tennenbach bei Freiburg im Breisgau.

Zurück zum Eco Museum, dem “französischen Ballenberg”.

Die typischen Fachwerkhäuser faszinierten uns.

Auch an den Gärten konnten wir uns kaum sattsehen.

Wir verglichen unterschiedliche Bauweisen und bekamen einen Einblick in alte Handwerke.

Ich erklärte meiner Enkelin, was eine Kurzwarenhandlung, eine Mercerie ist. Sie sind weitgehend verschwunden – und mit ihnen die Handarbeits-allwissenden Verkäuferinnen von Wolle, Stoff und Nähutensilien.

Wir schauten einer Töpferin zu.

Ich erkläre meiner Enkelin die Bedeutung von “Jedes Häfeli findt sis Deckeli” und “Sauhäfeli – Saudeckeli”.

Wir begeisterten uns für Details und teilten die Freuden miteinander. Ich genoss dies ganz besonders, meine Enkelin ist wirklich super!

Wir schauten uns das Rezept für Gugelhopf an. Wir teilten uns ein Stück am Abend im Restaurant und waren uns einig: Kommt nicht zuoberst auf unserer Prioritätenliste.


Da ich bereits einen Blogbeitrag zu Eco-Museum veröffentlicht habe, gehe ich hier nicht weiter darauf ein. Link zum Beitrag.

Während der Weiterreise Richtung Niedermohrschwihr wichen wir spontan von der geplanten Route ab und schauten uns das “Bilderbuchdorf” Eguisheim an. Es ist von Touristen “gut besucht”, sogar bei der Bruthitze. Am Abend wurde es aber ruhiger und man konnte die Schönheit und den reichen Blumenschmuck in den Gassen geniessen.

Eguisheim ist bekannt als „Zwiebelstadt“, da sich ausser der west-östlich verlaufenden Grand Rue alle Gassen ringförmig um die Burganlage im Zentrum legen. Die alte, achteckige Burg ist allerdings nicht mehr erhalten geblieben.

Noch zu sehen ist der Wohnbau (Logis), der sich von innen an die südliche Ringmauer anlehnte. Er bekam sein Aussehen im Stil der Neorenaissance jedoch erst bei einem teilweisen Wiederaufbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

In kleinen Läden findet man typische Mitbringsel aus dem Elsass und vor allem Weine. Verbreitet sind auch Shops mit Weihnachtsschmuck, bekannt sind die Elsässer Weihnachtsmärkte.

Gegen Abend fuhren wir hoch nach Niedermohrschwihr, zu den Rebenbergen am Fuss der Vogesen.

Ins Hôtel de l’ange komme ich seit Jahren immer wieder. Es hat einen lauschigen Innenhof mit Laubengängen. Hier sassen wir noch lange mit unseren Mineralwasserflaschen und plauderten.

Zuvor hatten wir uns im lauschigen Garten des Restaurants “Mohrakopf” im Garten kulinarisch verwöhnen lassen: Bibeleskäs und Münster für die Vegetarierin und Elsässer Tafelspitz für mich.

Am nächsten Morgen machten wir uns morgens vor der grossen Hitze auf nach Colmar. Ich mag die Stimmung früh morgens in Städten, wenn das Leben erwacht. Wir hörten uns das Lied “Paris s’ eveille” aus dem Jahr 1968 an, das diese Stimmung beschreibt. Damals erwachte auch die französische Jugend politisch. 1968 war mein erstes Mittelschuljahr, Zeit des Prager Frühlings und des Einfalls der Russen in Tschechien. Damals nahm ich an Protesten in Zürich teil. Wir teilen Geschichte und Geschichten auf unserer Reise, meine Enkelin und ich.

Auch in Colmar gibt es eine Markthalle.

Klein Venedig mit reichlich Blumenschmuck ist ein Touristen Hot-Spot. Selfies nonstop! Morgens früh ist die Atmospäre aber wunderschön.

Die Gondeln sind im Gerberviertel, dem quartier des tonneurs, rustikaler als in Venedig. Gerberviertel sind immer an einem Fliessgewässer, ausgangs Ort – es duftete dort selten nach Rosen.

Viele Strassencafés locken.

Und überall lauern Störche.

Und auf dem Martinsmünster wohnt höchst unchristliches Getier.

Wir schauten uns diese dreidimensionale Darstellung des Abendmahls an und fanden schnell Judas. Abgelöst von der Religion lassen sich hier Geschichten spinnen und über “Verrat” nachdenken.

Besonders gern shoppen wir hier französischen Lebensstil, Klamotten und Deko-Gegenstände.

Flohmarkt ist immer gut!

Bei diesem Schild in Kaysersberg, dem Geburtsort des Arztes und Organisten Albert Schweitzer, machten wir uns Gedanken zur Elsässer Sprache. Fritz oder Frédéric? Im Elsass wird hauptsächlich Französisch als offizielle Sprache gesprochen, aber es gibt auch die Tradition des Elsässischen, eines alemannischen Dialekts mit deutschen Einflüssen.

Das Elsass war im Laufe der Geschichte mehrmals zwischen Frankreich und Deutschland umkämpft. Das Elsass gehörte von 1871 bis 1918 als Reichsland Elsass-Lothringen zum Deutschen Reich. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es wieder Teil Frankreichs. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von Deutschland annektiert, aber nach Kriegsende endgültig Frankreich zugesprochen. Deshalb findet man in jedem Dorf ein Denkmal oder eine Gedenktafel, die an die Opfer der beiden Weltkriege erinnern.

Unterdessen hat auch US-Amerika Einzug gehalten.

Im Elsass gibt es unzählige zweispurige Kreisel. Lady Liberty war ein Geschenk Frankreichs an die Vereinigten Staaten. Die Freiheitsstatue wurde zum 100. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeit im Jahr 1876 entworfen und 1886 in New York eingeweiht. Sie ist ein Symbol für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie. Ist es Zeit für Frankreich, die Freiheitsstatue vom aktuellen US-Präsidenten zurückzufordern? 

Wir besuchten Kaysersberg und fuhren Richtung Hohkönigsburg, schenkten uns aber aufgrund der hohen Temperaturen den Anstieg. Lieber zogen wir uns in ein klimatisiertes Shoppingcenter zurück. Meine Enkelin erstand Geschenke für ihre Eltern und Geschwister. Zum Glück hatte sie einen grossen, halbleeren Koffer mitgenommen.

Am dritten Tag wechselten wir über die Rheinebene hinüber nach Deutschland. Ziel wiederum ein Markt, derjenige von Freiburg. Er findet rund ums Münster statt.

Hier kann man Holzspielzeug, Honig, Bratwürste aller Art, Gemüse, Beeren, badische Spargeln, schwäbische Spezialitäten, Blumen und weitere lokaltypische Produkte kaufen. Dieser Markt mutete ganz anders an als der eher muslimisch dominierte Markt in Mulhouse oder die Markthalle in Colmar an.

Neben dem Münster steht die Weinhandlung “Die Wache”. Bereits um halb elf war es so heiss, dass wir uns mit einer “kalten Sophie” abkühlen mussten. “Eine vollmundige Verführung aus geeistem badischem Wein, schneeweiss mit dem Geschmack exotischer Früchte – die kalte Sofie ist die frische Romanze für heisse Sommertage”, so die Werbung.

Den doppelten Espresso mit Eis genossen wir am Morgen in einem italienischen Delikatessenladen und beschlossen, für eine Focaccia zum Mittagessen zurückzukehren.

Typisch für Freiburg sind die dekorativ gesetzten Pflastersteine und die Bächle.

Reisen durch Geografie und Geschichte. Gedenksteine für Naziopfer, auch als Stolpersteine bezeichnet, sind kleine, messingbeschichtete Betonquader, die in den Boden vor den ehemaligen Wohnhäusern von NS-Opfern eingelassen wurden. Sie erinnern an Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Die Hitze staute sich in den Häuserfluchten – und wir flüchteten nach dem Mittagssandwich nach Norden, zum Landgasthof Engel.

Er liegt in idyllischer, ländlicher Lage.

Wälder und Wiesen, so weit das Auge reicht.

Und im Landgasthof drin: Engel, so weit das Auge sie entdecken kann.

Das Gasthaus wurde 1721 erbaut und war ein Teil des Klosters Tennenbach. In alten Aufzeichnungen von 1776 ist das Haus schon als Gasthaus erwähnt.
Mit der Zeit kamen um- und Anbauten mit Gästezimmern hinzu.

Der „Engel“ ist bekannt für seine gute regionale, badische Küche, hausgemachte Kuchen und Torten, Schnitzel, Steaks und vor allem Wildspezialitäten.

Das Wild grüsst denn auch von den Gaststubenwänden, vereint mit Engeln aller Art.

Der Landgasthof ist gemütlich, authentisch, irgendwie unspektakulär und ehrlich, was uns gefällt. Auch die Blumen und die beiden jungen Katzen.

Auch wenn uns die ausgestopften Tiere zu mustern scheinen.

Als die Temperaturen etwas sanken, entdeckten wir die Umgebung. Bereits bei der Ankunft war uns die Kapelle auf der anderen Talseite aufgefallen.

Eine Tafel erklärte die Geschichte des grossen Klosters, das einst hier stand und von dem nur noch der Landgasthof und die Kapelle übrig sind.

Das Zisterzienserkloster Tennenbach, gegründet 1161 von Abt Hesso hat Schweizer Wurzel. Mitbegründer waren zwölf Mönche aus dem Kloster Frienisberg in Aarberg. Das Kloster war zunächst dem Kloster Lützel, heute Kleinlützel bei Basel, unterstellt. Die Klostergebäude fielen im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Naturkatastrophen und Kriegen zum Opfer. 1445 plünderte eine Söldnertruppe aus Südfrankreich die gesamte Klosteranlage. Im Bauernkrieg 1525 wurde das Kloster, mit Ausnahme der Kirche, erneut in Schutt und Asche gelegt. Während des 30-jährigen Kriegs mussten die Mönche das Kloster 1632 verlassen und fliehen. 1647 kehrte der erste Mönch nach Tennenbach zurück. Für die Zeit zwischen 1674 und 1676 sowie 1704 und 1713 sind weitere kriegsbedingte Zerstörungen überliefert. Tennenbach wurde 1806 säkularisiert. Die Mönche verliessen das Kloster. Im Zweiten Weltkrieg wurde die ehemalige Klosterkirche durch einen Bombenangriff zerstört. Lediglich die frühgotische Kapelle der Mönchsinfirmerie, das heisst die Krankenkapelle, zeugt heute noch von der glanzvollen Architektur der ehemaligen Zisterzienserabtei.

Abendessen: Meine Enkelin hielt dem Bibeleskäs die Treue.

Am anderen Morgen machten wir einen Waldspaziergang auf die Anhöhe hinter dem Landgasthof und lauschten den Vogelstimmen. Zusammen probierten wir die Vogelbestimmungs-App Merlin aus.
Wir hörten Waldtauben, Blau- und Kohlmeisen, Rotkehlchen, Buchfinken und Drosseln. Wir können diese App sehr empfehlen. Gratis runterladen und ausprobieren!

Das Frühstück war himmlisch. Auch hier: Doppelten Espresso mit Eis.

Wir fuhren durch den Schwarzwald entlang dem Titisee und dem Schluchsee nach Hause, dankbar für die wunderbare Zeit, die wir miteinander erlebten.

Künftige Generationen sollen Erben sein, nicht Überlebende.

George Schaller

Informationen
Eco-Museum
Mulhouse Tourisme
Visit Alsace 
Schwarzwald Tourismus
Hôtel de l’ange in Niedermohrschwihr bei Colmar
Landgasthaus zum Engel in Tennenbach bei Freiburg im Breisgau.

Dank
Ich danke meiner Enkelin für die schönen Erlebnisse, die guten Gespräche und die Fotos, die sie gemacht hat und die im Blog integriert sind.

Musik
Émile Waldteufel, geboren am 9. Dezember 1837, war ein elsässischer Musiker und Komponist, bekannt für seine Walzer.
Les Folies
Reverie
Les sourires
Der Arzt und Organist Albert Schweitzer (1875 – 1065) war Elsässer und wurde bekannt durch sein Wirken im Urwaldspital in Lambarene, Afrika.
Albert Schweitzer spielt Bach

Elsässer Rezepte
Kougelhopf
Kartoffeln & Bibeleskäs
Sauerkraut
Choucroute Royal
Weitere Rezepte 1
Weitere Rezepte 2

Zurück

Afternoon Tea

Nächster Beitrag

Wien im Strauss-Fieber

  1. Majka

    Vielen Dank, liebe Regula, für die Inspiration und deiner Enkelin herzlichen Glückwunsch zur bestanden Matura, so schön!

    Hier hat sich noch ein Zahlendreher eingeschlichen…:
    “1986 war mein erstes Mittelschuljahr, Zeit des Prager Frühlings und des Einfalls der Russen in Tschechien”

    • Regula Zellweger

      Danke, liebe Majka. Zahlen- und Buchstabendreher passieren mir alten Legasthenikerin leider oft. Ich habe es nach dem Veröffentlichen bemerkt und gleich geändert, aber ich bin sehr froh, wenn mir Fehler mitgeteilt werden. So schön, dass Du meinen Blog so aufmerksam liest. Ich freue mich über Deine Wertschätzung.

  2. Sonja

    Liebe Regula
    Ihr habt mir in kurzer Zeit viele schöne Ortschaften, hübsche Sachen ud schöne Landesteile gezeit!🥰
    Danke, danke , wunderbar, motiviert selbst mal zu unternehmen!
    Liebe Grüsse
    Sonja

  3. Edda

    Hallo Regula,
    es ist ein schöner und kurzweiliger Drei-Länder Beitrag. Will ich mir merken, vielleicht reise ich auch mal dorthin.

    Viele Grüße aus Aachen :-))

  4. Peter Stutz

    Liebe Regula
    Wie immer, ein interessanter Beitrag – gespickt mit vielen schönen Fotos. Lese ich immer wieder gerne. Übrigens findet nächstes Wochenende im Südschwarzwald das 54. Rosenfest in Nöggenschwiel statt. Ist immer ein Besuch wert!

  5. Irene

    Liebe Regula,
    Nachdem ich deinen Bloog gelesen habe, bin ich doch in Gedanken mit Euch Beiden mitgereist. Eine sehr schöne, ruhige und naturverbunde Gegend. Ich denke dein Matura-Abschlussgeschenk wird der Enkelin immer in Erinnerung bleiben. Das sind so die speziellen Grosseltern/Enkel/innen Geschenke von bleibendem Wert.

  6. Kim

    Es war soooo schön und ich habe die Zeit mit dir und deine Geschichten sehr genossen❤️

  7. Willi Schweizer

    Liebe Regula. Viele schöne Erinnerungen tauchten beim Lesen des Blogs auf. Ja, Elsass und Baden sind so nah und immer wieder eine Reise wert.
    Herzlich
    Willi

  8. Doris Nordmann

    Liebe Regula,
    Was für ein schöner Blog! Deine Reise mit Deiner Enkelin und die ausführliche Reisebeschreibung mit vielen Hintergrundinformationen haben mir grosse Lust gemacht, Deine Reise “nachzureisen”, vielleicht im Herbst wenn es nicht mehr so heiss ist. Ich freue mich immer wieder Deine interessanten Blogs zu lesen.

Schreibe einen Kommentar zu Willi Schweizer Antworten abbrechen

© Regula Zellweger | Alt werden kann ich später | Datenschutzerklärung| Impressum

Contact Us

Neue Beiträge abonnieren

Hier registrieren, um automatisch benachrichtigt zu werden.