Arenenberg im Schnee

Ende April erwartet man bei einer Reise an den Bodensee nicht Schneefall, sondern Sonne und blühende Obstbäume.

Am 26. April 2017 hat es geschneit.
Ausserhalb der Norm – so war die Befindlichkeit.

Und irgendwie wirkt an diesem verschneiten Frühlingstag das Schloss, das eher abgelegen auf einer früher «Narrenberg» genannten Anhöhe am Bodensee liegt, speziell.

Bei diesem Wetter kann man sich besonders gut vorstellen, wie der Alltag vor rund 200 Jahren auf Arenenberg sein gewesen muss.

Hortense de Beauharnais, das ist der Name der Frau, die aus dem ländlichen Schlösschen einen Treffpunkt für Politiker, Militärs, Revolutionäre, Künstler und Wissenschaftler schuf, die anfangs des vorletzten Jahrhunderts Rang und Namen hatten. Sie war Königin von Holland und Mutter des Kaisers Napoleon III.

Ihre Geschichte ist wie ein Roman: Nach der Hinrichtung ihres Vaters während der Terrorherrschaft 1794 und der Wiederverheiratung ihrer Mutter Joséphine mit Napoleon Bonaparte im Jahr 1796 wurde sie dessen Stieftochter. 1802 liess sie sich, gerade mal 17 Jahre alt, auf Drängen ihrer Mutter, die keine Kinder mehr bekommen konnte, mit dem jüngeren Bruder Napoleons, Louis Bonaparte, verheiraten. Dieser wurde 1806 zum König von Holland erhoben. Sie war also Königin von Holland und die Schwägerin ihrer Mutter Joséphine.

Es war keine Liebesheirat. Louis litt an einer üblen Geschlechtskrankheit, die ihn psychisch belastete. Er war zudem krankhaft eifersüchtig. Hortense war glücklich, wenn er weg war. Mit der Zeit lernte sie, mit ihrer Situation umzugehen.
Hortense bekam während der Ehe drei Söhne, von denen nur einer überlebte und als Charles Louis Napoleon Bonaparte von 1852 bis 1870 als Napoleon III. Kaiser der Franzosen war.
Ob Napoleon I, also ihr Stiefvater und Schwager, oder ob ihr Ehemann Louis Vater des ältesten der Jungen war, blieb ein Geheimnis.
Die Trennung von Louis Bonaparte erfolgte 1810.
Später bekam Hortense von ihrem Geliebten nochmals einen Sohn. Napoleon der III kümmerte sich später um seinen Halbbruder, der ohne Mutter aufwachsen musste.

Nach Napoleons Niederlage bei Waterloo 1815 wurden Hortense und die gesamte Familie Bonaparte aus Frankreich vertrieben. Am Ende einer abenteuerlichen Flucht durch halb Europa fand die erschöpfte Königin zusammen mit ihrem jüngsten Sohn Asyl am Bodensee.
Noch heute entdeckt man eine französische Flagge auf dem Haus.

Hortense liess das spätgotische Schloss zwischen 1817-1820 vom Konstanzer Baumeister Johann Baptist Wehrle im Sinne des Empire umbauen.

Sie gestaltete den Arenenberg ganz nach französischem Vorbild. Das Innere stattete sie mit Tapeten, Möbeln, Figuren und Bildern in Erinnerung an Napoleon I. aus.

Schloss Arenenberg wirkt also sehr französisch, ähnelt dem Schloss Malmaison westlich von Paris, dem Rückzugsort ihrer Mutter nach der Scheidung von Napoleon I.
Beide Schlösser strahlen weiblichen Charme aus und beide Schlösser zogen damals Besucher aus aller Welt an.

In Arenenberg weilten beispielsweise René de Chateaubriand, Alexandre Dumas, Franz Liszt, Henri Dufour, Ignaz Heinrich von Wessenberg, Alexander von Humboldt.

Arenenberg verfügt über zahlreiche Gästezimmer.

Unzählige Sitz- und Liegegelegenheiten luden ein, zu verweilen.

Heute signalisieren Silberdisteln charmant, dass man sich hier nicht setzen darf.

Gegen hundert Familienmitglieder, Gäste und Bedienstete hielten sich manchmal in der Schlossanlage auf.

Mittels eines komplexen mechanischen Systems und Kordeln konnte in allen wichtigeren Räumen nach Bediensteten geklingelt werden.

Gäste genossen gern eine Auszeit auf dem Lande.

Es wurde getafelt…

…gespielt und geredet.
Hortense genoss es, dass ihr die Gäste die Welt quasi ins Haus brachten.

Hortense liebte Blumen und liess Gärten anlegen.

Dass sie aber die Namensgeberin der Blume “Hortensie” sei, stimmt nicht.

Auf alle Fälle war das Schloss mit Blumen reich geschmückt. Der Königin war es stets ein Anliegen, ihr Haus stilvoll auszustatten.

Eine Wendeltreppe verband drei Stockwerke.

Diese Treppe ist bereits einen Besuch auf Arenenberg wert.

 

Hortense wurde als eine Romantikerin beschrieben, ganz im Stile ihrer Zeit.
Sie zeichnete sehr gut, las viel und musizierte und komponierte auch.

An diesem kalten Frühlingstag kann man sich vorstellen, dass Hortense aktiv gegen Langeweile angehen musste, um nicht in eine Depression zu fallen.

Oft erklang im Schloss Musik.

Es wurde auch gesungen.

Die Hymne «Partant pour la Syrie» wurde ihr zugeschrieben, allerdings soll der wirkliche Komponist Louis-François-Philippe Drouet sein, Flötenspieler an Hortenses Hof.

Und doch war es für Hortense ein goldener Käfig, denn sie konnte nicht nach Frankreich zurück.

Neben der Beschäftigung mit Musik, Literatur und Kunst sollten auch bewusst eingesetzte Farben aufs Gemüt wirken. Beispielsweise Blau oder Blau kombiniert mit Grün.

Wer sich Zeit nimmt, auf einzigartige Dekorationselemente zu achten, kann Stunden im Schloss verbringen.

Tapeten, Lampen und Kränzchen – woher stammen sie wohl?

Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel …

…und Tulpen und Stiefmütterchen neigen sich unter der weissen Last. Irgendwie herrscht eine traurige Stimmung.

Man kann sich gut vorstellen, wie bei solchem Wetter das Bad, heute würde man sagen Spa oder Wellnessoase, genutzt wurde.

Das Bad konnte sowohl mit warmem als auch kaltem Wasser gespiesen werden.

Für die Körperhygiene brauchte man allerdings noch immer Waschschüssel und Wasserkrug.

Hortense förderte die Region am Bodensee auch wirtschaftlich.

Dampfschifffahrt, Industrie, Handel, Kunst, Architektur, Mode und Gartenbau wurden von ihr beeinflusst.

Hortense lebte 20 Jahre bis zu ihrem Tod 1837 auf dem Arenenberg.

Hortenses Sohn Charles Louis Napoleon Bonaparte wurde auf Arenenberg und in Augsburg sozialisiert, Professoren aus Konstanz unterrichteten ihn. Er hatte auch als Kaiser der Franzosen noch einen alemannischen Akzent.

Nach dem Tod von Hortense 1837 veräusserte ihr Sohn Louis Napoleon Schloss Arenenberg.

1855 jedoch kaufte  er als Kaiser unter dem Namen Napoleon III. das Gut zurück.
1906 schenkte Eugénie aus Dankbarkeit das Gut dem Kanton Thurgau, der seither in der Schlossanlage das Napoleonmuseum betreibt.

Die Besichtigung der Wohnräume von Hortense malt ein Bild, wie Adlige in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten.

Beim Recherchieren wuchs mein Wunsch, mehr über das Leben einer ausserordentlichen Frau zu erfahren.

Biografie in Französisch

Publikationen zu Arenenberg und Hortense

Insbesondere das Forschen nach Musik in Zusammenhang mit Hortense und Napoleon brachte interessante Hör-Erfahrungen:

Die Hymne «Partant pour la Syrie»
Tschaikowsky 1812
Berlioz Hymne
Johann Strauss: Napoleon Marsch
Hymne à Napoléon III et à son vaillant peuple
La Marche Funèbre de Napoléon (Adolphe Adam)

Bei den Recherchen stiess ich auf die Sopranistin und Pianistin Paula Bär-Giese, die auf Arenenberg Musikfilme aufgenommen hat.

Film 1
Film 2
Film 3
Ave Maria auf Schloss Arenenberg

Museum

Ausstellung: Eine Kaiserin macht Dampf

Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rau,
hinter den Blütendolden,die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau.

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuern
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Rainer Maria Rilke

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  1. Marianne Helbling

    Ich finde es spannend und wunderschön, wie auf diesem Weg ein Stück Kultur in meine Wohnung kommt.

  2. Rita

    spannende Geschichte!

  3. Marianne

    Schöne Bilder!
    Dank dir habe ich jetzt die verpasste Führung durch das Schloss, noch nachholen können.
    Interessante Frau, die Hortense.

  4. Susanne Mauerhofer

    Schön wie du anhand der Biographie von Hortense Geschichte lebendig machst!
    Du machst mich “gluschtig” auf den Arenenberg!

  5. Kathrina

    Da kam in einen sonntäglichen “Hänger” dein Blog über Arenenberg gerade recht… und brachte mir sogar noch ein so schönes Konzert ins Haus. Danke, liebe Regula. Wir besuchten anlässlich eines Festes vor einigen Jahren Arenenberg. Aber so schön, wie du das erzählst und einem nahebringst- mit den stimmig ausgewählten Bildern und Worten, ist einmalig

    • Regula Zellweger

      Liebe Kathrina

      Herzlichen Dank für Dein Feedback. Ich freue mich ganz besonders, dass Du Dir auch die Musik angehört hast. Wenn ich zu einem Thema recherchiere, verliere ich mich oft und entdecke dabei aber ganz besondere Dinge – bei Arenenberg beispielsweise diese Sopranistin. Ich glaube, sie hatte selbst eine grosse Freude am Projekt Arenenberg.
      Das teilen wir: sich begeistern und einlassen können, einfach weil es Freude macht!

      Herzlich
      Regula

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