Scuol im Engadin

Das Engadin ist eine Region mit einem besonderen Klima, die schon immer Naturfreunde und Künstler angezogen hat.

Ich besuchte Scuol. Der Name Scuol stammt vom lateinischen scopulus «Klippe» und bezieht sich auf den Standort der Kirche San Geer.

Barbara und ihre Familie haben in Scuol eine Wohnung, die sie liebevoll umgebaut und gestaltet haben. Sie lud mich ein und zeigte mit voller Begeisterung ihren Zweitwohnort.

Was mich neben der faszinierenden Bergwelt, in der das Hochtal Engadin liegt, beeindruckt hat: Dass sowohl normales Trinkwasser als auch kohlehydrathaltiges Mineralwasser aus den öffentlichen Brunnen kommen.

Die Mineralquellen von Scuol und Tarasp locken bereits seit Jahrhunderten Gäste ins Unterengadin. Schon 1369 wurden die Mineralquellen und ihre Heilkraft erstmals schriftlich erwähnt. Vor rund hundert Jahren war Scuol als «Die Badekönigin der Alpen» bekannt. Prominente Ärzte machten den Kurort durch ihre wissenschaftlichen Publikationen im Ausland bekannt.

Im oberen Dorfteil findet man heute das Spital.

Das Wappen zeigt denn auch einen Brunnen. Rund 25 Mineralquellen werden im Umkreis von Scuol als Heilquellen genutzt. Das Scuoler Mineralwasser ist angereichert mit alkalischen Glauber- und Bittersalzen, deren verdauungsfördernde Wirkung schon die Römer kannten.

2015 fusionierte Scuol mit den fünf Gemeinden Ardez, Ftan, Guarda, Sent und Tarasp zur neuen Gemeinde Scuol. Dadurch ist sie mit nunmehr 439 Quadratkilometern die flächengrösste Gemeinde der Schweiz. Mit rund 4700 Einwohnern ist sie zugleich die grösste bündner-romanische Gemeinde.


Noch mehr der Superlative: Der in Scuol gelegene Bahnhof Scuol-Tarasp ist der östlichste Bahnhof der Schweiz. Hier kam ich mit der Rhätischen Bahn an.

Es ist schön, wenn man am Bahnhof abgeholt wird. Mein Blick fiel gleich auf die markanten Berge. Barbara kennt alle mit Namen: Piz Lischana, Piz Pisoc, Piz San Jon.

In der Wohnung angekommen, wurde ich gleich fürstlich bewirtet wird.

Beim Dorfrundgang fielen mir die klassischen Engadiner Häuser mit den grossen Holztüren, den dicken Steinmauern und den Sgraffito Dekorationen auf. Aber in Scuol integrieren sich auch andere Stilrichtungen.

Trotz der Unterschiedlichkeit fügt sich alles in ein Gesamtbild zusammen.

Häuser aus verschiedenen Epochen stehen friedlich nebeneinander. Verbindend sind die unzähligen Brunnen.

Auch von oben erkennt man die Vielfalt der Architektur. Ein Bild wie aus einem Wimmelbilderbuch: Wie viele Lukarnen kann man entdecken? Wer sieht einen zusammengefalteten Sonnenschirm?

Manche erzählen aus der Geschichte des Tourismus, der im Engadin im 19. Jahrhundert als Bädertourismus begann.

Typisch für die Engadinerhäuser sind die Scraffiti.

Sgraffito ist eine historische Putztechnik, die erstmals in der Renaissance zur Herstellung von Fassadendekorationen eingesetzt wurde. Der Begriff stammt aus dem Italienischen und lässt sich mit Ritz- oder Kratzputz übersetzen.

Die verwendeten Elemente haben symbolischen Charakter.

Mit Malerei und Scraffito verziert wurde vor allem die Giebelseite zur Strasse hin.

Die typischen, massiv aussehenden Steinhäuser sind in ihrem Kern oft Holzhäuser. Die aus Holzbalken aufgezimmerten Wände wurden – erst wenn sie sich gesetzt hatten und das Holz gut ausgetrocknet war – mit einer Mantelummauerung versehen. Deren Dicke ist an den tiefen trichterartigen Fensternischen ersichtlich.

Wegen der Feuergefahr wurde der Backofen auf der Haus-Aussenseite angemauert. Der Schüttstein entwässerte durch eine Öffnung direkt ins Freie.

Ein weiteres typisches Element sind die Erker. Sie haben ihre Ursprünge im Mittelalter, als sie als Vorbau an Häusern konzipiert wurden, um das Raumangebot zu erweitern und den Blick nach aussen zu ermöglichen.

Ob der Balkon auch hält?

Auffallend sind die schön gestalteten Haustüren.

Das obere Tor zum Erdgeschoss und das untere zum Untergeschoss und in den Stall befinden sich auf der Giebelseite des Hauses. Der Stall unter dem Wohnhaus wirkt wie eine “Bodenheizung”.
Oft steht eine Bank beim Hauseingang, hier lässt es sich bestens beobachten wer, was, mit wem… im Dorf.

Die Giebelseite war das Statussymbol, bevor die Autos die Welt eroberten. Der Wunsch, am Reichtum gemessen zu werden, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit.

Im Unterengadin wird vorwiegend Romanisch gesprochen. Genauer: «Vallader».

Die Bündner haben einen ausgeprägten Nationalstolz. Wappentier ist der Steinbock.


Als fester Bestandteil der regionalen Kultur begegnet man dem Rumantsch nicht nur in Liedern und Büchern, sondern auch auf der Strasse und in der Schule. Bis Ende der zweiten Primarklasse ist das Romanische noch die einzige Unterrichtssprache. Danach wird als erste «Fremdsprache»
Deutsch gelernt.

Von Scuol aus kann man wunderschöne Ausflüge machen. Beispielweise ins Nachbardorf Sent.

Der neugotische Kirchturm erbaut 1898-1900 dominiert das Dorf.


Der heutige Kirchenbau aus dem Jahr 1496 löste eine ältere romanische Kirche ab. Der neugotische Kirchturm von 1898-1900 dominiert das Dorf.

In Sent findet man auch das Alberto Giacometti Museum.

Palazzi nach italienischer Architektur erinnern an die Zeit Zuckerbäckerinnen und -bäcker.

Eine architektonische Eigenart von Sent sind die Häuser mit geschweiften Dachgiebeln. Die „Senter Barockgiebel“ gelangten Ende des 18. Jahrhunderts durch Handwerker aus dem Tiroler Inntal ins Engadin.

Eine weitere Wanderung führte uns nach Tarasp.

Die Häuser ducken sich in die Blumenwiesen.

Der derzeitige Besitzer von Schloss Tarasp ist der Schweizer Künstler Not Vital. Er erwarb das Schloss 2016 und plant, es zu einer Kulturattraktion mit zeitgenössischer Kunst und einem Skulpturenpark weiterzuentwickeln. Der Industrielle K.A. Lingner, der Erfinder von Odol, kaufte bereits um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert das Schloss und liess es renovieren. Bis zum 19. Jahrhundert gehörte das Schloss historisch zu Österreich.

Werke des Schlossherrn Not Vital in Sent.

Die Wanderung von Tarasp nach Scuol führte uns an einem Teich und an saftigen Wiesen vorbei.

Der Weg führte uns zum Gasthaus Avrona, einem gemütlichen Berggasthaus wie im “Kinderbuch”.

Frischgebackenes Brot, selbstgemachte Kuchen…

Man konnte draussen sitzen und das Leben geniessen!

Abends gab es meine Lieblingsmahlzeit: Apéro!

Dazu eine Spezialität aus dem Engadin: Cullas da Vna

Kulinarisch hat das Engadin eine Menge zu bieten: Bündnerfleisch, Bündner Nusstorte, Capuns, Bündner Birnenbrot, Bergkäse, Pizzokl, Bündner Gerstensuppe…

Bekannt ist das Engadin durch den “Schellen-Ursli”, der ein “Geissbub” war, also Ziegen hütete.


Schellen-Ursli ist eine Kindergeschichte aus dem Jahr 1945, geschrieben von Selina Chönz und illustriert von Alois Carigiet.
Das Bündner Wappentier ist der Steinbock, Ziegen sind die Kinderbuchhelden – weshalb nur bin ich immer wieder auf Esel gestossen?

Auch eine alte Ziege leckt gern am Salz.

Aus Ungarn

Informationen
Ortsbroschüre Sent
Ortsbroschüre Scuol
Ortsbroschüre Tarasp
Gasthaus Avrona

Dank
Danke, liebe Barbara, für Deine Gastfreundschaft und Deine Ausführungen zu Scuol und dem Unterengadin.

Musik
Ils Fränzlis da Tschlin
Ils Fränzlis da Tschlin: Mia Bella Firenza
cinzia regensburger aus Scuol singt auf Romanisch


Schellen-Ursli Lied Linard Bardill

Schellen-Ursli Gelesen

Rezepte
Blogbeitrag Kulinarisches Engadin
Bündner Nusstorte
Bündnerfleisch Carpaccio
Pizokel
Früchtebrot

Rezepte aus dem Engadin

Buchtipp
Zu Gast im Engadin
Das Buch gibt Einblicke in die lokale Küche und stellt die köstlichsten Rezepte einheimischer Köch:innen vor. Exklusive Geheimtipps – von Bergtouren, über versteckte Seen, bis hin zu lokalen Manufakturen – machen das Buch zum Must-have für alle reisefreudigen Entdecker:innen.

Engadinerinnen

Die Geschichten der 18 Frauen, die Angelika Overath porträtiert, sind ganz unterschiedlich, aber eines verbindet sie: die Liebe zum Engadin, wo sie alle leben, wobei manche zugezogen sind, andere ihr Heimatdorf nie verlassen haben. Von der 25-jährigen Studentin bis zur 83-jährigen Journalistin wird ein breites Spektrum an Lebensentwürfen aufgezeigt, die alle einzigartig sind. Sie bilden ein Panorama des weiblichen Teils der Engadiner Bevölkerung und zeigen für einmal nicht berühmte Personen, die Aussergewöhnliches geleistet haben, sondern diejenigen, deren Wirken zum Engadiner Alltag beiträgt: eine Kindergärtnerin, eine Hüttenwartin, eine Bäuerin oder eine Reinigungskraft beispielsweise.

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Das “Grosse Haus” in Oberbüren

  1. Margret Willen

    Liebe Regula
    Ein toller Bericht!
    Ich geniesse es immer, Deinen Blog zu lesen! Bin auf den nächsten Bericht gespannt! Liebe Grüsse! Margret

  2. Lisbeth

    Rägi,
    sehr liebevoll hast du von unserem Hochtal geschrieben.
    Es ist ja immer ein “Spagat” für ein doch eher abgelegenes Tal, das Alte zu bewahren und das Neue zu zulassen. Und ich meine, die Engadiner machen das nicht sooo schlecht. Und genau diese Bemühungen hast du aufzeigen können.
    Und überigens – jetzt ist das Engadin am Schönsten, wenn das “Gold” an den Lärchen leuchtet !

  3. Johanna

    Vielen Dank für den informativen Bericht!
    Hinzufügen könnte man noch Guarda mit dem kleinen Schellenursli Museum und dem Skulpturenpark von Not Vital!

  4. Rita

    Herzlichen Dank für den Ausflug ins Unterengadin.

  5. Findus

    Liebe Regula
    Gratuliere, die Bilder sind super! Am besten gefällt mir das Sonnenülätzchen auf dem wohlig warmen Autodach mit derm Senter Kirchturm im Hintergrund!
    Danke, FINDUS

  6. Doris Nordmann

    Liebe Regula, ich meinte das Unterengadin ganz gut zu kennen! Nun habe ich aber ganz viel dazugelernt dank Deinen ausführlichen Berichten und wunderschönen Fotos. Ich wäre jetzt gerne dort, passt leider im Moment nicht. Dir viel Freude in Bellwald)wenn Du noch dort bist)

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