Kühe und Jodeln im Simmental

Das Simmental ist ein Stück Schweiz, in dem alpenländische Bauerntraditionen authentisch gelebt wird.

Tief bewegt mich dieses Bild. Vater und Tochter. Im Kontakt. Wo sieht man dies heute noch?

Das Foto wurde bei Peter Zimmermann aufgenommen, dem “Muniflüsterer” aus der Lenk. Der gelernte Schreiner und Züchter reinrassiger Simmentaler Kühe wird aus der ganzen Schweiz beigezogen, wenn Stiere “schwierig” werden.

Der sensitive Mann ist überzeugt, dass Kühe sehr feinfühlig sind – und neugierig. Und wenn sie “schwierig” sind, haben sie meist gute Gründe.

“Ein Bauer darf keine Angst haben – aber Respekt”, sagt der Experte für Viehbewertung.

Auf seinem Hof werden die Kühe nicht künstlich befruchtet. Männliche Kälber werden als Zuchttiere aufgezogen. Stiere werden 1’200 Kilogramm schwer – und mehr, Kühe bis 800 Kilogramm.

Man erkennt Simmentaler Küche leicht: Sie sind besonders gross, robust und für ein Leben in Berggebieten bestens geeignet.

Die Rasse hat ihren Ursprung im Simmental und verbreitete sich früh in der ganzen Schweiz.

Bereits im 16. Jahrhundert wurden Simmentaler Kühe aus dem Berner Oberland ins benachbarte Ausland exportiert. Das Alemannenrind gilt als Ausgangsrasse für die Simmentaler Viehrasse. Es waren aber nicht Alemannen, sondern Freiherr Berchtold von Waediswil, Vorsteher der Hofhaltung des Klosters Einsiedeln, der die grossen Rinder ins Simmental brachte.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Tiere aus dem Simmental in andere Erdteile, auch nach Afrika exportiert. Heute ist die Simmentaler Rasse mit rund 50 Millionen Tieren eine der weltweit bedeutendsten Rinderrassen.

Wer weiss was eine Dreinutzungskuh ist? Früher hielt man sich Kühe, weil sie hervorragende Arbeit leisteten und Milch und Fleisch lieferten.

In einer alten Schmiede in Freiburg entdeckte ich Kuhhufeisen. Auch Simmentalerkühe, die auf dem Feld und der Strasse als Zugtiere eingesetzt wurden, wie beispielsweise im 2. Weltkrieg, als die Pferde im Militärdienst waren, bekamen einen Schutz für ihre Hufe.

Heute sind Simmentaler Kühe Zweinutzungskühe.

Ob Kälber “hörnern”, wie unsere Kinder “zahnen”?

Ihr Kopf ist wuschelig und weiss.

Die Hörner sind kurz und nach vorne geschwungen. Relativ kurz!

Das Fell ist hellbraun, rötlich, mit weissen Flecken. Nur die Beine sind ganz weiss.

Im Simmental tragen die Kühe ihre Hörner mit Stolz.

Peter Zimmermann bindet seine Kühe im Stall an. “Kühe brauchen Ruhe”, ist er überzeugt.

Familie Zimmermann sömmert ihre Kühe auf der Alp.

Die Kinder leben im Sommer gern hier, wo das Leben einfach und naturnah ist.

Hier oben kann man atmen, die Weitsicht in die verschneiten Berge geben ein Gefühl von Freiheit.

Kuhzüchter Peter Zimmermann ist stolz, dass seine Tiere, beispielsweise jeweils im Oktober am Älplerfest in der Lenk, immer wieder Misswahlen gewinnen. Ob sie dereinst einmal als Miss Simmental eine Glocke gewinnen wird. Den Wimpernschlag beherrscht sie bereits.

Es gibt Misswahlen für Simmentaler Kühe auch beispielsweise in Nordamerika und in Australien.

Mit dem Einbruch der Milchpreise ab dem Jahre 2000 startete ein eigentlicher Teufelskreis. Je tiefer die Milchpreise sanken, desto mehr wurde die Milchproduktion angekurbelt. Man setzte immer mehr auf Hochleistungskühe, die zwar viel Milch gaben, aber eine schlechte Bemuskelung aufwiesen. Dadurch geriet die genügsame Simmentaler Zweinutzungsrasse etwas ins Abseits. Doch Simmentaler Kühe haben eine Lobby! Bauern sowie Coop und Bell setzen sich ein, dass diese Kuhrasse nicht aus dem Schweizer Landschaftsbild verschwindet.

In der Nähe der Alp der Familie Zimmermann entspringt eine Schwefelquelle. Die schwefel- und eisenhaltigen Mineralquellen zählen zu den stärksten im gesamten alpinen Raum.

Apropos Heilquellen: Wer erinnert sich noch ans Weissenburger Citro?

Noch besteht der kleine Bahnhof.

Die Eröffnung eines Kurhauses oberhalb von Weissenburg legte vor über 350 Jahren den touristischen Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung an der Lenk.

Heute erinnern Tafeln und Reste der Küche an die Zeit, als 1936 die holländische Königin Wilhelmine mit ihrer Tochter dort zur Kur weilte und sich Prinzessin Juliana während des Aufenthalts mit Prinz Bernhard verlobte.

Damals zog das Bad Gäste aus aller Welt an und gilt noch heute als Stück der Schweizer Tourismusgeschichte.

Die Geschichte von Weissenburg brachte uns Sabeth näher, die uns später in ihr Ferienhaus einlud, wo uns ihr Mann Ernst ein Ständchen brachte.

Volksmusik wird im Simmental gepflegt. Insbesondere das Jodeln.

2021 entstand in St. Stephan der erste interaktive Erlebnisweg der Schweiz zum Thema Jodeln. Auf einer rund 3-stündigen Rundwanderung mit atemberaubenden Aussichten erfahren Besucherinnen und Besucher Wissenswertes rund um das Jodeln. Initiant dieses neuen Erlebnisweges ist der national bekannte Jodelkomponist und -dirigent Ueli Moor.

An acht Stationen werden Themen wie die Entwicklung des Jodelns in der Schweiz, diverse Jodeltechniken, der Bezug zur AlpKultur und aktuelle Trends mit informativen Texten vorgestellt.  Bei der Station «AlpKultur» kann man einen Hosenlupf im Sägemehl wagen oder sich bei der Station «Amerika» beim Lassowerfen versuchen. Töne können mittels QR-Codes über das Smartphone oder ein Tablet heruntergeladen und direkt vor Ort oder später zuhause angehört werden.

Auf dieser Rundwanderung erhält man von Juni bis Oktober Einblicke in den Ursprung, die Technik und die Vielfalt des Jodels.
Naturjodel ist Singen ohne Text auf Lautsilben mit dem häufigen Umschlagen zwischen Brust- und Falsettstimme. Weitere Merkmale sind grosse Intervallsprünge und ein weiter Tonumfang.
Ueli Moor: “Ein Jodellied ist eine Geschichte ohne Worte. Jodeln bedeutet mit dem Körper nicht nur Singen, sondern erleben.”

Im alpenländischen Volkslied wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Jodellied entwickelt, indem an ein Lied ein Jodler angehängt wurde oder ein Lied mit Jodeleinschüben ausgestattet wurde.

Ueli Moor komponiert Lieder und prägt das Jodeln im Simmental und in der ganzen Schweiz. Seine Lieder entstehen aus dem Erlebnis. Er textet zuerst – und komponiert dann die Musik zum Text – mit bis zu sieben Stimmen.

Cover einer CD von Ueli Moor

Aufgewachsen mit fünf Geschwistern in einer jodelfreudigen Familie, wo man ohne Noten musizierte, entwickelte Ueli Moor Kompetenzen, die ihn zu einem Experten des Jodelns machten.

Den Zusammenhalt und das Traditionsbewusstsein von Familien spürt man bei Ueli Moor und beim Stierflüsterer Peter Zimmermann. Alle ziehen am selben Strick. Familien wie diese beiden sorgen dafür, dass unsere Bergregionen lebendig erhalten bleiben.

Kühe kann man nicht betrügen, sie geben, was sie kriegen.

Sorbisches Sprichwort

Informationen
AlpKultur® Tage Lenk 2022 sind für den 8. bis 22. Oktober geplant.
Jodelweg
Ueli Moor
Simmentaler Kuh
Lenk-Simmental Tourismus
Kuhmiete im Simmental
Wanderung Weissenburg-Oberwil
Simmentaler Bauernhäuser, Hausweg

Älplerfest & spektakuläre Miss Wahlen im Berner Oberland, Schweiz – Blogbeitrag von meiner Kollegin Barbara Blunschi, reisen-lifestyle.ch

Von Alpapzügen erzählt auch Ellen in ihrem Blog Patotra.

Dank
Marianne Tschanz von Lenk-Simmental Tourismus hat uns eine wunderbare Reise zusammengestellt. Herzlichen Dank. Ich danke auch Peter Zimmermann und seiner Frau, die uns ihren Stall, ihre Tiere und ihre Alp gezeigt haben. Ueli Moor hat uns viel Zeit geschenkt und von seiner Leidenschaft, dem Jodeln erzählt.
Danke, liebe Rita, mit Dir reisen ist wunderbar – und Du schaffst es, im hintersten Simmental noch alte Bekannte zu treffen: Sabeth. Sabeth und ihrem Mann danken wir für die Gastfreundschaft in ihrem Haus!

Hoteltipp
Wir waren begeistert vom Gästehaus B&B am Bühlberg, Lenk. Interessante, herzliche Gastgeber, superschön eingerichtete Räume, exquisites Essen.

Musik
Ds Läbe i de Bärge, Ueli Moor (Musikvideo)
Ueli Moor, Lieder

Mix aus Blues und Jodel:
Blue Yodel Nr. 9 Louis Armstrong; Johnny Cash
Jimmie Rodgers – Waiting for a Train/Daddy andHome/BlueYodel
Mason Ramsey – Lovesick Blues (Official Music Video)

Kurios: Richard Strauss lässt in “Arabella” seine Fiakermilli einen nahezu unsingbaren Jodler präsentieren.

Jodeln lernen. Viel Spass! 🙂

Buchtipps

Kühe Verstehen, Martin Ott –
Wie Kühe kommunizieren, wie man sich mit der Kuh verständigen und über sie die Welt verstehen kann.
Martin Ott spricht die tiefe Sehnsucht der Menschen nach einem respektvolleren Zusammenleben mit den Nutztieren an. Seine Texte sind wie ein Reiseführer in ein unbekanntes Land.
Martin Ott ist ein Praktiker und Zukunftsdenker. Als Landwirt interessiert ihn die Kuh besonders. Genaue Beobachtung lassen ihn zu äusserst eigenständigen Schlüssen kommen, die jeder Landwirt umsetzen kann. Das Resultat ist beeindruckend: Wenn man das Leben und die Kommunikation der Kühe studiert und ihnen ein artgerechtes Leben ermöglicht, steigern sich Milchertrag und Gesundheit der Tiere. Durch Zuwendung und Verstehen. Für all seine begeisterten Zuhörer, Fachleute wie Radiohörer und Filmschauer, hat Martin Ott seine Beobachtungen, Erfahrungen und Schlüsse festgehalten. Philipp Rohners Bilder öffnen in ihrer Reduktion eine neue Ebene zum Verständnis der Kuh. Ein bildstarkes Lehrbuch zu Gegenwartsfragen für alle, die an Zeitfragen und einem respektvollem Miteinander mit Tieren interessiert sind.

Ein Tag in den Bergen
Wohlfühlrezepte für kalte Tage von Julia Cawley, Saskia van Deelen und Vera Schäper.

Mir gefällt der haptische Eindruck – tolles Papier, der optimal der Bildsprache der Fotos entspricht. Überzeugend ist das «Unbunte», das Ruhe vermittelt. Die Fotos sind wirklich genial! Die Zitate sind passend ausgewählt. Die Rezepte verlocken zum Nachkochen und Weiterentwickeln.

Berge als Sehnsuchtsziel, wo die Natur noch unberührt und das Leben ursprünglich ist. Lassen Sie sich inspirieren vom Kontrast zwischen dem Blau des Himmels und den schneebedeckten Felsen sowie durch die Erinnerungen an lange Winter-Spaziergänge und sonnige Skitouren. Doch wir wissen: zum Gipfelglück gehört auch der Genuss deftiger Küche! Saskia van Deelen hat für uns einzigartige Kombinationen zusammengestellt: Jause mit Obatztem und scharfer Cranberry-Berberitzen-Marmelade, deftige Hauptgerichte wie Spinatknödel mit Gorgonzola-Sauce sowie süsse Leckereien wie karamellisierter Buchweizen-Schmarrn mit Quitten-Trauben-Kompott.
Mit wunderschönen Landschaftsfotos und Rezepten modern interpretierter Alpenküche

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Trüffeln im Thurgau

  1. Maria

    Wieder wunderschöne Bilder; auch wenns “nur” Kühe waren. Schöne Gegend. Alles gute weiterhin und viele liebe Grüße aus München. Maria

  2. Hildegard

    Liebe Regula

    bei deiner tollen Reportage mit wunderbaren Bildern und guten Texten wird mit als ehemaligem Landei ganz warm ums Herz!

    Muh muh
    Hildegard

  3. ritanna

    Oh ist das schön, in unserer eigenen Berg- und Talwelt zu schwärmen, Ruhe zu finden, die Tiere zu estimieren samt deren Halter und Flüsterer. Wie viel können wir davon lernen, wieder selbst zu werden, ohne nach den anderen zu schielen.
    Dies benötigt Standfestigkeit. Ob wir die noch haben ?
    Vielen Dank für den Blick in unser eigenes bergiges Land.

  4. Eva

    Liebe Regula

    Herzerwärmend, dein Artikel über das Simmental! Dein Bericht erinnert mich an meine Ferien bei der Großmutter im Bernbiet, wo ich die Simmentaler Kühe täglich weiden sah.
    Bei deinen feinen humorvollen Einschüben wie des „Hornen“ der Rinder konnte ich auch beim Jodeln mit Miss Helvetia lachen. So viel Bodenständigkeit tut einfach gut! Danke, Regula!

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