Ölands Mühlen, Kirchen und Leuchttürme

Öland nennt man auch die Inseln der Windmühlen und des Lichtes. Auf der Süd- und auf der Nordspitze weisen zwei Leuchttürme, der Lange Erik und der Lange Jan, Schiffen den Weg.

Öland, die zweitgrösste Insel Schwedens, ist ein reich bebildertes Geschichtsbuch. Die Gesteine und Fossilien erzählen vom Werden der Erde, wie wir sie heute kennen. Sie wurde ab 7000 vor Christus von Menschen bewohnt. Bereits im Mittelalter gab es hier Windmühlen, Kirchen und Burgen.

Illustration: Wikipedia

Öland ist eine lange, schmale, flache Insel.

Selma Lagerlöf beschrieb sie in ihrer Geschichte „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“, die eigentlich die schwedische Geografie spielerisch vermitteln soll, die Insel als Schmetterling, der im Meer gelandet ist – ohne Flügel. Auf dem Körper des Schmetterlings soll sich langsam etwas Humus abgelagert haben und die Insel wurde grün.

Dieser “Insektenkörper” ist 137 km lang, maximal 16 km breit und besitzt eine Fläche von rund 1347 km².

Die Insel aus Schiefer und Kalkgestein liegt rund 6 km vom Festland entfernt.

Der Süden der Insel wurde als Agrarlandschaft Südölands zum Weltkulturerbe erklärt. Heute ist Öland eine vielbesuchte Ferieninsel.

Sie ist mit einer Brücke mit der südschwedischen Stadt Kalmar verbunden.

Am Horizont ist die Brücke zu erkennen.

Öland gliedert sich in die Gemeinden Borgholm im Norden und Mörbylånga im Süden.

Öland ist flach, sehr flach! Der höchste Berg, Galgbacken, liegt 57 m über Meereshöhe. Die Hochfläche fällt flach nach Osten ab, während sie zur Westküste hin Terrassen bildet.

Eva, Naturführerin auf Öland, ist bedingungsloser Fan des Stora Alvaret, einer weiten Karst- und Heidelandschaft von 260 km² Fläche.

Da die Erdschicht nur dünn und das Klima trocken ist, wachsen hier spezielle Pflanzen, die sonst beispielsweise nur noch in Andorra vorkommen.

Regen ist selten.

Kleinwüchsige Bäume und Sträucher bestimmen das Bild. Die Vegetation ist mit unserer auf 2000 Metern Höhe vergleichbar.

Thymian

Glockenblumen

Schwarzdorn

Golddisteln

Und Gin in seiner ursprünglichsten Form.

Im Schiefer und Kalkstein gibt es viele verschiedenen Fossilien.

Eva findet überall versteinerte Arme von Ortoceren, Tintenfischen mit einer äusseren Schale. Sie sind so häufig, dass sie dem Kalkstein auf Öland den geologischen Namen “Ortocerkalkstein” gegeben haben.

Bevor vor 7000 Jahren die ersten Menschen die Insel besiedelten, lag sie lange unter dem Meeresspiegel. Unzählige Fundstätten und Lesefunde zeugen von Ölands Geschichte bis ins Mittelalter.

Während der Bronzezeit zwischen 1500 v. Chr. und 500 n.Chr. wurden grosse Hügelgräber angelegt. Menhire, zum Teil auf Grabfeldern, ragen über die karge Vegetation.

Schiffssetzungen sind eher selten.

Vom früheren Alltagsleben erzählt das Freilichtmuseum in Himmelsberga.

Es besteht aus gut erhaltenen Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, in denen auch ältere und zeitgenössische Kunst und lokales Handwerk ausgestellt sind.

Manche Gebäude sind noch original eingerichtet.

Man denkt an die Bilder von Carl Larsson.

Was erzählen diese bemalten Wände?

Windfänge schützen den Haueingang und erlauben, auch bei Wind und Wetter einen Blick in die Natur zu erheischen.

Hier realisiert man auch die Bedeutung des schwedischen Königshauses. Königin Victoria liess sich eine italienische Villa auf Öland bauen, welche die Königsfamilie noch heute nutzt.

Das Museum hätte museumsdidaktisch Potenzial. Mit wenig Mitteln, frischen Blumen, Alltagsgegenständen, die es in den Loppis, Flohmärkten, günstig zu kaufen gibt, könnte das Museum viel mehr Charme und Lebendigkeit ausstrahlen.

Öland ist ein traditionell landwirtschaftlich genutztes Land.

Hier leben Hasen, Kaninchen, Hirsche…

Man freut sich, wenn man die ersten Windmühlen entdeckt und zückt den Fotoapparat. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dass sie auf der Insel fast allgegenwärtig sind.

Die Mühlen wurden für den Eigenbedarf genutzt.

Im 18. Jahrhundert wurden die meisten Mühlen gebaut und bereits 1820 gab es auf Öland rund 1700 Mühlen.

Man unterscheidet holländische Windmühlen und Bockmühlen.

Typisch für Öland sind Bockmühlen. Die Bockwindmühle gilt als der älteste Windmühlentyp in Europa.

Typisch für diesen Mühlentyp ist, dass das gesamte Mühlenhaus auf einem einzelnen dicken Pfahl, dem Hausbaum, steht, der senkrecht in einem unterhalb der eigentlichen Mühle befindlichen hölzernen Stützgestell, dem so genannten Bock, befestigt ist.
Auf dem Bock kann die gesamte Mühlenmaschinerie mittels der Hebelwirkung des Aussenbalkens, in Öland “Pferd” genannt, in den Wind gedreht werden.

Diese Methode ist bei wechselnden Windrichtungen ziemlich beschwerlich.

Aufbau einer Bockwindmühle: 1 Bockgerüst, 2 Treppe und Feise, 3 Steert/Sterz, auf Öland “Pferd” genannt, 4 Kammrad, 5 Flügelkreuz, 6 Hausbaum, 7 Mehlbalken, 8 Steinboden, 9 Mehlboden, 10 Sattel

Am Modell kann man den Aufbau nachvollziehen.

Holländische Mühlen kamen später.

Bei holländischen Windmühlen, auch Kappenwindmühlen genannt, wird nur das oberste Teil mit dem Flügelkreuz gedreht.

Von Britzermuehle-innen01.jpg: Molinologederivative work: Malyszkz (talk) – Britzermuehle-innen01.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11366540

Schnittbildzeichnung der Britzer Mühle, Berlin 1 – steinerner Unterbau, 2 – Galerie, 3 – Mehlrohr, 4 – Mahlgang, 5 – Stirnrad, 6 – Stockrad, 7 – Königswelle, 8 – Sackaufzug, 9 – Hebetisch, 10 – Obenbunkler, 11 – Drehkranz, 12 – “Spinne” zur Jalousiesteuerung, 13 – Ruten mit Jalousien, 14 – Flügelwelle, 15 – Obenkammrad, 16 – Windrose A – Anlieferungshalle, B – Galerieboden, C – Mehlboden, D – Steinboden, E – Hebeboden, F – Kappboden, G – Kappe

Königswelle

Man kann auf Öland beide Windmühlentypen besichtigen.

Windmühlen galten im 19. Jahrhundert als Statussymbole bei den Bauern. Jeder, der etwas auf sich hielt, hatte eine eigene Windmühle, die er allerdings nur für den Eigenbedarf einsetzte. Die Anzahl der Mühlen auf Öland stieg bis auf 2000 an, auf eine Mühle kamen statistisch 10-20 Einwohner. Mit der Zeit rentierten sich die Windmühlen nicht mehr und verfielen zusehends. Heute kann man noch rund 400 bewundern.

Eine besondere Verwendung fanden Bockwindmühlen bei den Steinbrüchen.

Wir haben die Scheuermühle von Jordhamn besucht. Sie ist die einzig erhaltene Scheuermühle in Schweden. Mit ihr wurden die Kalksteine platt geschliffen, die beispielsweise für Fussböden verwendet wurden.
Der Bau von windgetriebenen Scheuermühlen begann etwa 1850. In den 1930er-Jahren wurden die Scheuermühlen aufgegeben, die Bearbeitung der Steine erfolgte kostengünstiger industriell.

Obwohl die Scheuermühle Jordhamn direkt am Ufer des Kalmarsundes liegt, befindet sich neben der Mühle ein Brunnen, aus dem das zum Scheuern erforderliche Wasser entnommen wurde. So musste das Wasser nicht vom Strand bis zur Mühle geschaffen werden. Es war die Aufgabe der jüngeren Kinder, Sand und Süsswasser auf die Steine zu geben, um die Scheuerwirkung zu optimieren. Steine schleppen war die Aufgabe von Männern, Frauen und Kindern.

Ältere Frauen sassen auf dem kreisenden Scheuerstein und strickten – wie mir Eva glaubwürdig demonstrierte.

In den Steinbrüchen mit Ihren mächtigen Felskanten kann man übrigens die Entwicklung und die Zeit betrachten, als Lehmkörner und Kalkschlamm begannen, die öländische Lagerfolge mit deren Inhalt an Tintenfischen und anderen Urzeittieren aufzubauen. Jeder Millimeter Kalkstein steht für 1 000 Jahre!

Noch heute wird der Kalkstein von Bergbauunternehmen auf der Insel abgebaut und veredelt. Die Steinbearbeitung zählt neben dem Tourismus und der Landwirtschaft zu den Hauptwirtschaftszweigen der Insel.

Als Wahrzeichen Ölands gelten die an Nord- und Südspitze errichteten Leuchttürme Langer Erik und Langer Jan.

Mit seinen 41,6 Metern ist der Lange Jan der grösste Leuchtturm Skandinaviens. Im 19. Jahrhundert bekam er seinen weissen Anstrich und seinen charakteristischen schwarzen Streifen.

Eva und ihre beiden Enkel wanderten erwartungsvoll auf das Gelände des Leuchtturms – die Wartezeiten für das Besteigen waren aber zu lang.

Das Naturschutzgebiet Ottenby beim Langen Jan ist ein beliebtes Ziel für Vogelbeobachter.

Hier werden täglich die Vögel gezählt und viele werden vor Ort auch beringt.

Mit 32 Metern Höhe ist der “kleine Bruder”, der Lange Erik, an der Nordspitze wie sein grosser Bruder ständig in Betrieb.

Beim Langen Erik besucht man gern den Trollenwald.

Auf Öland kann sich die Seefahrt orientieren – aber eine Autobahn sucht man vergeblich. Die Tempolimiten schwanken stetig zwischen 30 und 80 Stundenkilometern.

Fahrräder haben hier Tradition – es ist ja flach. Echt sportliche Leistungen werden höchstens mal von Gegenwind provoziert.

Auf Öland gibt es heute 35 Kirchengebäude, die teilweise auf die Zeit der Romanik zurückgehen und zunächst als Wehrkirchen oder als Schutz vor Seeräubern dienten.

Deshalb liegen die meisten Kirchen “relativ hoch”.

Unter grossen Grabplatten ruhen Menschen und ihre Geschichten.

Für mich wirken diese Kirchen friedlich – sehr gut besucht sind sie allerdings auch auf Öland nicht mehr.

Im Innern sind die Kirchen meist hell. Vielerorts sind noch Fresken unter dem weissen Putz versteckt. Auch in den Kirchen ist die Seefahrt präsent. Wie viele Frauen hier wohl um die heile Rückkehr ihrer Söhne und Männer gebetet haben?

Auf Öland erzählen Kirchen, Mühlen und Leuchttürme vom einstigen Leben der Menschen auf der Insel. Man muss die Geschichten nur finden – oder erfinden. Das macht Spass!

Oft war hier das Leben hart. Könige hielten beispielsweise die Insel als Jagdgebiet und die Bauern durften nicht mal Hunde halten. Heute kaufen Stockholmer Immobilien auf – für Öländer wird der Erwerb eines Eigenheims immer unmöglicher.

Aber sie sind stolz darauf, dass ihre Kronprinzessin Victoria jedes Jahr am 14. Juli auf Schloss Solliden auf Öland ihren Geburtstag feiert.
Und Eva ist als Naturführerin glücklich, dass sie mit der sympathischen Kronprinzessin einmal eine Wanderung machen und ihr die Insel zeigen durfte.

Eva liebt die Öländische Spezialität Kroppkakor. Ich auch – obwohl ich dieses Wort irgendwie nicht in meinen Wortschatz integrieren kann. (Rezept)

Was immer passt: Zimtschnecken!

Öland – ich komme wieder!

Brüderchen, du kannst den Wind
Niemals nach der Mühle drehen;
Dreh die Mühle nach dem Wind
Und sie wird vortrefflich gehen.

Aus Russland

Informationen
Evas Webseite
Evas Tiny House zum Mieten

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Kalmar

Rezepte Schweden
Kroppkakor
Zimtschnecken & Co

Musik
Johan Svendsen: Romance for Violin and Orchestra, Op. 26
Johan Svendsen – Cello Concerto in D-major, Op.7 (1870)
Johan Svendsen, 1. Sinfonie
Traditional Swedish Folk Songs

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Eine Geschichte aus Öland

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Mayerling und Heiligenkreuz

  1. Rita

    Das muss wirklich eine schöne Reise gewesen sein!

  2. ritanna

    Herzlichen Dank für den Einblick auf diese “flache” vielgeschichtliche- und viel schichtige Insel. Hoffentlich steigt der Meeresspiegel nicht weiter. Ich versuche meinen Teil dazu beizutragen.

  3. Rolf

    So schön und vielseitig
    Einladend

  4. Hildegard

    Da würde man am liebsten gleich die Koffer packen. Ein toller Artikel mit wunderschönen Fotos (einmal mehr)

  5. Nicole Ardin

    Wie schön! Schweden wäre schon mal noch eine Reise wert. 🙂

    Liebe Grüsse
    Nicole

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