Schnee auf Korsika

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Wer im Frühling nach Korsika reist, rechnet nicht damit, hinter einem Schneepflug nachfahren zu müssen. Das Wetter machte im Mai 2019 Kapriolen – und man gewinnt ihm idealerweise etwas Gutes ab. Schnee auf Korsika im Mai wird mir in Erinnerung bleiben.

Da ich bereits im Blog über Korsika berichtet habe, picke ich mir von dieser Reise ein paar Rosinen heraus.

Ich mag die Geschichte der eigentlichen Helden dieser Insel – NICHT Napoleon!

Mir gefiel die heimliche Hauptstadt Corte, weil sie nicht so touristisch “geschönt” ist, wie die Städte direkt am Meer.

Und ich habe vier innovative Unternehmer kennen gelernt: Einen Töpfer, einen Besitzer einer Eselfarm, einen Ziegenbauern und einen Mann mit einem Garten, wie man sich das Paradies vorstellt. Gemeinsam ist den vieren: Sie haben einen ihrer Träume konsequent realisiert.

Zuerst ein Loblied auf “schlechtes Wetter”.

Prospekte und Webseiten aller Reisedestinationen zeigen ihre Einzigartigkeiten meist bei strahlendem Wetter.

Es regnete.

Das heisst, die Landschaft glänzte in sattem Grün, was in der Kombination von Meer, Sandstrand, Wiesen und Wäldern besonders schön ist.
Diese Kombination ist das, was Korsika einzigartig macht! Morgens wandern in den Bergen, nachmittags chillen am Meer.

Die Blumen in der Hotelanlage «Zum störrischen Esel» zeigten sich in vollendeter Pracht. Sie schienen die Regenstunden zu nutzen, um die Wette zu blühen.

Auch Früchte glänzen im Regen.

Nun zu Corte, der einzigen wichtigen Stadt, die mitten im Land liegt. Touristen besuchen hier die Zitadelle, das Museum und das Denkmal von Jean-Pierre Gaffori, sie logieren aber eher an Orten am Meer. Corte war 1755 bis 1769 die Hauptstadt Korsikas und man sagt, sie sei bis heute die heimliche Hauptstadt der Korsen.

Im 13. Jahrhundert wurde Corte von der Republik Genua erobert. 1419 wurde die Zitadelle gebaut. 1734 besetzten die Franzosen die Stadt. Es wechselten Phasen der Besetzung durch die Genueser und die Franzosen. Mitunter mischten die Briten mit und sogar ein deutscher Abenteuerbaron, Theodor von Neuhoff, sah sich als König von Korsika.

Korsika war ein Spielball auf dem Schachbrett der Politiker Europas.
1745 eroberten die Korsen unter Jean-Pierre Gaffori die Stadt.

Gaffori war Arzt, erst die unruhige Zeit machte ihn zum Kämpfer und Revolutionär.
Nicht bewiesen ist, dass er es war, der 1754 den Maurenkopf als Wahrzeichen des korsischen Volkes beim Angriff auf die Zitadelle von Bastia einführte.
In Korsika herrschte die Tradition der Blutrache. Gaffori wurde 1755 von der Familie Romei und seinem eigenen Bruder in einen Hinterhalt gelockt und feige ermordet.

An der Place Gaffori kann man auf dem Bronze-Relief am Sockel der Statue die Heldentaten bewundern, die er und seine Frau Faustina im Kampf um Korsikas Freiheit begangen haben.

Unüblich ist, dass die Taten von Frauen von Revolutionären gewürdigt werden. Faustina verteidigte ihr Wohnhaus. Sie bedrohte sowohl die Angreifer als auch ihre eigenen Leute mit dem Anzünden eines Pulverfasses, was einem kollektiven Selbstmord gleichgekommen wäre. So hielt sie die Feinde in Schach und zwang ihre Leute, weiter zu kämpfen, bis ihr Mann zurückkam und die Angreifer vertrieb.

Gaffori galt als Wegbereiter für General Pasquale Paoli. Er war ein Revolutionär, den man sich mit der wehenden korsischen Flagge im Kampf gegen die Franzosen vorstellen kann. Paoli hingegen war ein Politiker, ein gewiefter Staatsmann.

Paoli war es, der Corte zur Zeit der Unabhängigkeit Korsikas 1755–1769 zur Hauptstadt ernannte. Der Sohn eines Generals war ein korsischer Revolutionär und Widerstandskämpfer gegen die Genueser. 1755 gelang es ihm, diese zu vertreiben.
Im gleichen Jahr gab er Korsika eine demokratische Verfassung und regierte Korsika vorübergehend. Unter anderem war er mit der Familie Bonaparte befreundet. Napoleons Vater arbeitete an einer korsischen Verfassung mit und wurde Paolis rechte Hand. Als die Genueser die Insel 1768 Frankreich übergaben, bekämpfte Paoli die Franzosen erfolgreich. Ein Jahr später landeten diese erneut und schlugen die Korsen. Paoli gab auf und ging ins Exil, Korsika schloss sich 1790 endgültig Frankreich an.

Paoli war ein geborener Politiker, vernetzte sich mit den Grossen seiner Zeit. Er ging wechselnde Allianzen mit Frankreich und England ein und unterhielt Kontakte mit Jean-Jacques Rousseau, Friedrich dem Grossen, Katharina II. von Russland, dem Papst, den jungen Vereinigten Staaten von Amerika, dem Türkensultan und dem Bey von Tunis. Die einzige Universität Korsikas geht auf ihn zurück. Corte ist heute wieder Sitz der einzigen Universität Korsikas, die Studenten machen etwa die Hälfte der rund 6’500 Einwohner Cortes aus.

Napoleon ist der bekannteste Sohn Korsikas, letztlich aber unterstützte er nicht die Unabhängigkeit seiner Heimat, sondern die Franzosen, weil er sich davon mehr Vorteile für seine Karriere ausrechnete. Im Herzen war Napoleon Franzose und die Insel viel zu klein für seine Visionen. Die politische Autonomie Korsikas war für den Mann, der Europa eroberte, kein Thema. Paolis Corte blieb nicht länger Hauptstadt, Napoleon ernannte Ajaccio.

Corte hat seinen Glanz verloren. Die Gemeinde kämpft gegen eine Rattenplage.

Es gibt Lokale, in denen Touristen gern einkaufen – aber das alte Corte scheint zu zerfallen. Die vielen Studenten der 1981 wiedereröffneten Universität bringen zwar Leben in die Stadt, aber nicht das nötige Geld zur Renovierung des Ortes, wie es in den Städten am Meer von den Touristen generiert wird. Damit hat Corte aber einen besonderen Charme…

…der sich von den Städten am Meer unterscheidet.

Bei dieser zweiten Reise nach Korsika haben mich Menschen fasziniert, die mit Leib und Seele beruflich freischaffend ihre eigene Welt aufgebaut haben.

Da ist beispielsweise die Eselfarm von Olivier Fondacci und seiner Frau.

Auf den ersten Blick wähnt man sich im Wilden Westen.

Hier werden aber korsische Esel gezüchtet und gemolken. Man kann auch Eselwanderungen buchen.

Olivier Fondacci züchtet nicht nur preisgekrönte korsische Esel, seine Frau produziert auch Pflegeprodukte mit Eselsmilch. Die ägyptische Königin Kleopatra soll in Eselsmilch gebadet haben. Bei den Griechen galt sie als Heilmittel, bei den Römern als exklusive Delikatesse. Ich ziehe Wasser vor.

Die Esel führen hier ein schönes Leben, manchmal tragen sie Touristen oder Journalisten durch die Landschaft. 🙂

Typisch für die korsischen Esel ist die dunkle Zeichnung über den Schultern.

Hier habe ich auch den seltenen, geheimnisvollen vierohrigen Korsika-Esel entdeckt.

Nächste Station war der Hof des Ziegenbauern Jean-Christophe Savelli.

Der ehemalige Banker gab seiner beruflichen Laufbahn eine Wende und wurde Ziegenbauer. Rund 300 Ziegen nennt er sein Eigen. Diese verbringen im Sommer zwei Monate auf einer Höhe von 2’000 Metern. Das macht die Milch besonders wertvoll, reich an Vitaminen, Spurenelementen, Eiweiss und Fett.

Der Käse wird in verschiedenen Reifestadien genossen und verkauft.

Der Frischkäse wird beispielsweise mit Feigenkonfitüre serviert.

Weiter ging es nach Patrimonio.

Unser nächster Besuch galt dem Atelier Truchon.

Julien Truchon erlernte sein Handwerk bei seinem Vater und vervollkommnete seine Ausbildung bei verschiedenen bekannten Keramikern, unter anderem auch im Burgund.

Er mischt altes Handwerk mit neusten Technologen.

Zudem holte er sich auch Wissen und Können in Japan, wo Töpferei in höchster Vollendung praktiziert wird.

Diesen Einfluss erkennt man gut bei seinen Werken.

Ein Besuch in seinem Atelier ist äusserst interessant…

… und der Besuch im Laden kann teuer zu stehen kommen.

Kaum zu bremsen ist Robert Kran.

Der ehemalige Geschäftsführer des “Störrischen Esels”, wo wir übernachteten, hat sich auch den Traum der beruflichen Selbständigkeit wahrgemacht. Er besitzt den “Le jardin fruitier d’Avapessa”, wo die unterschiedlichsten Früchte aus aller Welt gedeihen: Mandeln, Oliven, 55 Sorten Feigenbäume, Granatäpfel, Orangen, Clementinen, Zitronen, Maulbeeren, Äpfel- und Birnenkirschen, Quitten, Mispeln, Tafeltrauben, Papayas, Pfirsiche, Aprikosen, 40 Sorten Kaki, Pekannüsse, Walnusskastanien, Kiwis, Rosenäpfel, Avocados, Guaven-Erdbeeren, weisser Safran, Pistazien, Pflaumenbäume…Sowie ganz unbekannte Früchte wie Cudranier, Feijoas oder Asimins.

Mehr als 80 Arten und 1’000 Obstsorten wachsen im drei Hektaren grossen Obstgarten zwischen Sant‘ Antonino und Filicetto im Reginotal in der Balagne.
Die ersten Bäume wurden 1996 gepflanzt, von den 80 Olivenbäumen sind einige fast 400 Jahre alt.

Robert Kran hat sich vor 25 Jahren auf diesem Stück Land niedergelassen und züchtet nun eine grosse Vielfalt an Obstsorten, die infolge des Klimawandels immer besser gedeihen.

Schon als Kind ist Robert Kran in seiner Heimat, dem Elsass, während des 2. Weltkrieges durch den Wald gestreift und hat beobachtet, dass dort, wo alles der Natur überlassen wird, die Flora am vielfältigsten ist. “Später werde ich meinen eigenen kleinen Wald bauen”, erinnert sich Robert Kran an seine Jugend.

Heute legt er Wert auf traditionelle Kultivierung ohne Maschinen, ohne Düngemittel oder Pestizide und lässt die Pflanzen wachsen, wie es ihnen gefällt.

Am Anfang stand eine Idee: Zu allen Jahreszeiten Früchte aus dem eigenen Anbau geniessen.

So schuf er einen Garten, worin er zu jeder Saison ernten kann: Zitrusfrüchte im Winter und Frühling, Kirschen und Aprikosen im Sommer, Feigen, Kaki und Äpfel im Herbst. Zudem kann man Konfitüren, Mandeln, Nougat und weitere Produkte aus dem paradiesischen Garten kaufen.

Neben den zahlreichen Obst- und Mandelbäumen, mehreren Tierställen, einem Fischteich und Insektenhotels, fehlt natürlich auch ein Gemüsegarten nicht.

Als Besucher darf man was vom Baum probieren, beispielsweise Kumquats, Aprikosen, Aroniabeeren, Feigen oder Kakis. Robert Kran erzählt gern – dies auch fliessend auf Deutsch.

“Hilfstiere” sind in erster Linie wilde Vögel, die nach Lust und Laune Obst und Beeren fressen dürfen. Zudem watscheln Enten herum, Hühner scharen sich um den Hahn und sogar kleine, scheue, schwarze Schweinchen fühlen sich hier im Paradies.

Mitten in seinen Gartentisch hat er eine Vogeltränke integriert.

Zwischen den Obstbäumen wachsen eine Menge Blumen.

Korsika ist generell ein Blumengarten.

Wenn man genau hinschaut, entdeckt man Schönheiten ohne Ende.

Auch wer sich für Architektur interessiert, wird auf Korsika fündig.

Die grün-weissen Steine sind das Besondere an der Fassade von San Michele de Murato. Sie wurden wechselnd im Schachbrett- und Bandmuster aus Kalk- und Serpentingestein aufgeschichtet. Diesen Stil nennt man spätpisanisch.

Ebenso aus dem 13. Jh. stammen viele Skulpturen, die in und am Gebäude zu finden sind. Ist das wirklich ein Elefant?

Die Darstellung der Versuchung Evas durch die Schlange ist ein besonderes Merkmal von San Michele de Murano.

Man kann sich wirklich in Korsika verlieben.

In die Aussicht aufs Meer und …

…in die Berge.

Das satte Grün ist Balsam für die Augen.

Die Märkte locken mit den Produkten der Insel.

Und manchmal lächelt einem auch ein Wildschwein zu.

Kulinarisch hat die Insel viel zu bieten.

Es gibt sogar einen Bummelzug dem Strand entlang – mit Halt auf Verlangen.

Gepflegte Hotelanlagen laden zum Entspannen.

Wer hätte hier nicht gern ein Segelboot?

Ich mag die Farben Korsikas. Selbst wenn es schneit im Mai!

Ich denke an nichts, wenn ich male, ich sehe Farben.

Paul Cézanne (1839 – 1906)

Dank
Ich danke Rhomberg Reisen (Korsika-Spezialist) für diese Reise und Kurt Metz für die Organisation und Begleitung.
Rhomberg-Reiseführer zum Downloaden: Korsika-Reiseführer_aktuell12042019

Zusätzliche Informationen Korsika Atout France

Musik
Corsica – I Chjami Aghjalesi, P. et P-S. Guelfucci, J-C. Papi et P. Fiori
Planet Corsican
Die schönsten Lieder Korsikas
Companero

Die Oper “Cavallerie Rusticana” spielt zwar in Sizilien, beschreibt aber die “Bauernehre”. Dies lässt mich an Jean-Pierre Gaffori denken, der einer solchen Familienfehde zum Opfer gefallen ist.
Film “Cavalleria Rusticana”

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  1. ritanna

    Heute regnet’s ja nicht nur, es schneit ja auch in den Bergen. Sich nur schon mit den Bildern von Korsika einlassen ist ein Spagat. Unglaublich sich vorzustellen, was die Menschen alles aushalten mussten mit den Herrschern und Kriegen um ihre traumhafte Insel. Sie mussten wohl, wie die Esel störrisch sein, wenn’s gefragt war, um überhaupt überleben zu können. Dafür wurde und wird ihnen die intensive Farbe der Blumen, die Köstlichkeit der Früchte geschenkt. Arbeiten müssen sie selbst. Mich begeistern die Esel. Eine Wanderung mit ihnen wäre mein Traum. Zeit haben im Eselstakt könnte mich begeistern, mitsamt Ziegenkäse und Feigensüsse zum Frühstück. Ich finde es wunderbar, dass Napoleon in Hintergrund tritt ob all der Schaffenskraft dieser urbanen Menschen. Spätpisanische Architektur ist ja wahrhaft mehr als unserer Zeit in der Vielfalt voraus. Ich finde diesen Beitrag einzigartig.

  2. Rolf

    Hier in Australien ist es heiß und sehr, sehr trocken. Ein Regen wäre
    nicht nur gemütlich sondern erhofft um die vielen Waldbrände zu löschen.
    Ungewöhnlich für die Ostküste und wie seit Aufzeichnungen nicht
    in dem Umfang erlebt.
    Danke für den vielseitigen, detaillierten Bericht.
    Wir werden uns morgen auf unsere zweimonatige Reise machen.
    Melde mich von unterwegs und verschiedenen Ländern. Rolf

  3. Jarvis

    Erinnerungen werden wach bei deinem Beitrag, wunderschön. Die Insel hat ihren eigenen Charm.

  4. Hildegard

    Hallo liebe Regula

    Da würde frau am liebsten die Koffer packen. Dein Blog heisst “altwerden-später”, aber irgendwann kommt das Alter dann doch….
    Ich werde den Blog an unsere Jungen weiterleiten, die im Herbst Ferien auf Korsika verbringen. Das ist ein wunderbarer Einstieg.

    Es ist so schön, dass du die LeserInnen immer wieder auf deine Reisen mitnimmst. Da kann man dann bequem vom PC aus mitreisen. Vielen Dank und weiter so!

    Herzlich grüsst dich und die Leserschar
    Hildegard

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